JGG

Jugendgerichtsgesetz (1)

Inhaltsübersicht *§§
Erster Teil
Anwendungsbereich
Persönlicher und sachlicher Anwendungsbereich1
Ziel des Jugendstrafrechts; Anwendung des allgemeinen Strafrechts2
Zweiter Teil
Jugendliche
Erstes Hauptstück
Verfehlungen Jugendlicher und ihre Folgen
Erster Abschnitt
Allgemeine Vorschriften
Verantwortlichkeit3
Rechtliche Einordnung der Taten Jugendlicher4
Die Folgen der Jugendstraftat5
Nebenfolgen6
Maßregeln der Besserung und Sicherung7
Verbindung von Maßnahmen und Jugendstrafe8
Zweiter Abschnitt
Erziehungsmaßregeln
Arten9
Weisungen10
Laufzeit und nachträgliche Änderung von Weisungen; Folgen der Zuwiderhandlung11
Hilfe zur Erziehung12
Dritter Abschnitt
Zuchtmittel
Arten und Anwendung13
Verwarnung14
Auflagen15
Jugendarrest16
Jugendarrest neben Jugendstrafe16a
Vierter Abschnitt
Die Jugendstrafe
Form und Voraussetzungen17
Dauer der Jugendstrafe18
(weggefallen)19
Fünfter Abschnitt
Aussetzung der Jugendstrafe zur Bewährung
(weggefallen)20
Strafaussetzung21
Bewährungszeit22
Weisungen und Auflagen23
Bewährungshilfe24
Bestellung und Pflichten des Bewährungshelfers25
Widerruf der Strafaussetzung26
Erlass der Jugendstrafe26a
Sechster Abschnitt
Aussetzung der Verhängung der Jugendstrafe
Voraussetzungen27
Bewährungszeit28
Bewährungshilfe29
Verhängung der Jugendstrafe; Tilgung des Schuldspruchs30
Siebenter Abschnitt
Mehrere Straftaten
Mehrere Straftaten eines Jugendlichen31
Mehrere Straftaten in verschiedenen Alters- und Reifestufen32
Zweites Hauptstück
Jugendgerichtsverfassung und Jugendstrafverfahren
Erster Abschnitt
Jugendgerichtsverfassung
Jugendgerichte33
Besetzung des Jugendschöffengerichts33a
Besetzung der Jugendkammer33b
Aufgaben des Jugendrichters34
Jugendschöffen35
Jugendstaatsanwalt36
Auswahl der Jugendrichter und Jugendstaatsanwälte37
Zusammenarbeit in gemeinsamen Gremien37a
Jugendgerichtshilfe38
Zweiter Abschnitt
Zuständigkeit
Sachliche Zuständigkeit des Jugendrichters39
Sachliche Zuständigkeit des Jugendschöffengerichts40
Sachliche Zuständigkeit der Jugendkammer41
Örtliche Zuständigkeit42
Dritter Abschnitt
Jugendstrafverfahren
Erster Unterabschnitt
Das Vorverfahren
Umfang der Ermittlungen43
Vernehmung des Beschuldigten bei zu erwartender Jugendstrafe44
Absehen von der Verfolgung45
Wesentliches Ergebnis der Ermittlungen46
Anklage vor Berichterstattung der Jugendgerichtshilfe46a
Zweiter Unterabschnitt
Das Hauptverfahren
Einstellung des Verfahrens durch den Richter47
Vorrang der Jugendgerichte47a
Nichtöffentlichkeit48
(weggefallen)49
Anwesenheit in der Hauptverhandlung50
Zeitweilige Ausschließung von Beteiligten51
Neubeginn der Hauptverhandlung51a
Berücksichtigung von Untersuchungshaft bei Jugendarrest52
Anrechnung von Untersuchungshaft bei Jugendstrafe52a
Überweisung an das Familiengericht53
Urteilsgründe54
Dritter Unterabschnitt
Rechtsmittelverfahren
Anfechtung von Entscheidungen55
Teilvollstreckung einer Einheitsstrafe56
Vierter Unterabschnitt
Verfahren bei Aussetzung der Jugendstrafe zur Bewährung
Entscheidung über die Aussetzung57
Weitere Entscheidungen58
Anfechtung59
Bewährungsplan60
Vorbehalt der nachträglichen Entscheidung über die Aussetzung61
Frist und Zuständigkeit für die vorbehaltene Entscheidung61a
Weitere Entscheidungen bei Vorbehalt der Entscheidung über die Aussetzung61b
Fünfter Unterabschnitt
Verfahren bei Aussetzung der Verhängung der Jugendstrafe
Entscheidungen62
Anfechtung63
Bewährungsplan64
Sechster Unterabschnitt
Ergänzende Entscheidungen
Nachträgliche Entscheidungen über Weisungen und Auflagen65
Ergänzung rechtskräftiger Entscheidungen bei mehrfacher Verurteilung66
Siebenter Unterabschnitt
Gemeinsame Verfahrensvorschriften
Stellung der Erziehungsberechtigten und der gesetzlichen Vertreter67
Unterrichtung der Erziehungsberechtigten und der gesetzlichen Vertreter67a
Notwendige Verteidigung68
Zeitpunkt der Bestellung eines Pflichtverteidigers 68a
Vernehmungen und Gegenüberstellungen vor der Bestellung eines Pflichtverteidigers68b
Beistand69
Mitteilungen an amtliche Stellen70
Unterrichtung des Jugendlichen70a
Belehrungen70b
Vernehmung des Beschuldigten70c
Vorläufige Anordnungen über die Erziehung71
Untersuchungshaft72
Heranziehung der Jugendgerichtshilfe in Haftsachen72a
Verkehr mit Vertretern der Jugendgerichtshilfe, dem Betreuungshelfer und dem Erziehungsbeistand72b
Unterbringung zur Beobachtung73
Kosten und Auslagen74
Achter Unterabschnitt
Vereinfachtes Jugendverfahren
(weggefallen)75
Voraussetzungen des vereinfachten Jugendverfahrens76
Ablehnung des Antrags77
Verfahren und Entscheidung78
Neunter Unterabschnitt
Ausschluss von Vorschriften des allgemeinen Verfahrensrechts
Strafbefehl und beschleunigtes Verfahren79
Privatklage und Nebenklage80
Adhäsionsverfahren81
Zehnter Unterabschnitt 
Anordnung der Sicherungsverwahrung
Verfahren und Entscheidung 81a
Drittes Hauptstück
Vollstreckung und Vollzug
Erster Abschnitt
Vollstreckung
Erster Unterabschnitt
Verfassung der Vollstreckung und Zuständigkeit
Vollstreckungsleiter82
Entscheidungen im Vollstreckungsverfahren83
Örtliche Zuständigkeit84
Abgabe und Übergang der Vollstreckung85
Zweiter Unterabschnitt
Jugendarrest
Umwandlung des Freizeitarrestes86
Vollstreckung des Jugendarrestes87
Dritter Unterabschnitt
Jugendstrafe
Aussetzung des Restes der Jugendstrafe88
Jugendstrafe bei Vorbehalt der Entscheidung über die Aussetzung89
Unterbrechung und Vollstreckung der Jugendstrafe neben Freiheitsstrafe89a
Ausnahme vom Jugendstrafvollzug89b
Vierter Unterabschnitt
Untersuchungshaft
Vollstreckung der Untersuchungshaft89c
Zweiter Abschnitt
Vollzug
Jugendarrest90
(weggefallen)91
Rechtsbehelfe im Vollzug92
Gerichtliche Zuständigkeit und gerichtliches Verfahren bei Maßnahmen, die der vorherigen gerichtlichen Anordnung oder der gerichtlichen Genehmigung bedürfen93
Unterbringung in einer Entziehungsanstalt93a
Viertes Hauptstück
Beseitigung des Strafmakels
(weggefallen)94 bis 96
Beseitigung des Strafmakels durch Richterspruch97
Verfahren98
Entscheidung99
Beseitigung des Strafmakels nach Erlass einer Strafe oder eines Strafrestes100
Widerruf101
Fünftes Hauptstück
Jugendliche vor Gerichten, die für allgemeine Strafsachen zuständig sind
Zuständigkeit102
Verbindung mehrerer Strafsachen103
Verfahren gegen Jugendliche104
Dritter Teil
Heranwachsende
Erster Abschnitt
Anwendung des sachlichen Strafrechts
Anwendung des Jugendstrafrechts auf Heranwachsende105
Milderung des allgemeinen Strafrechts für Heranwachsende; Sicherungsverwahrung106
Zweiter Abschnitt
Gerichtsverfassung und Verfahren
Gerichtsverfassung107
Zuständigkeit108
Verfahren109
Dritter Abschnitt
Vollstreckung, Vollzug und Beseitigung des Strafmakels
Vollstreckung und Vollzug110
Beseitigung des Strafmakels111
Vierter Abschnitt
Heranwachsende vor Gerichten, die für allgemeine Strafsachen zuständig sind
Entsprechende Anwendung112
Vierter Teil
Sondervorschriften für Soldaten der Bundeswehr
Anwendung des Jugendstrafrechts112a
(weggefallen)112b
Vollstreckung112c
Anhörung des Disziplinarvorgesetzten112d
Verfahren vor Gerichten, die für allgemeine Strafsachen zuständig sind112e
Fünfter Teil
Schluss- und Übergangsvorschriften
Bewährungshelfer113
Vollzug von Freiheitsstrafe in der Einrichtung für den Vollzug der Jugendstrafe114
(weggefallen)115
Zeitlicher Geltungsbereich116
(weggefallen)117
(weggefallen)118
(weggefallen)119
(weggefallen)120
Übergangsvorschrift121
(weggefallen)122
(weggefallen)123
(weggefallen)124
In-Kraft-Treten125

Erster Teil Anwendungsbereich

§ 1 JGG Persönlicher und sachlicher Anwendungsbereich

(1) Dieses Gesetz gilt, wenn ein Jugendlicher oder ein Heranwachsender eine Verfehlung begeht, die nach den allgemeinen Vorschriften mit Strafe bedroht ist.

(2) Jugendlicher ist, wer zur Zeit der Tat vierzehn, aber noch nicht achtzehn, Heranwachsender, wer zur Zeit der Tat achtzehn, aber noch nicht einundzwanzig Jahre alt ist.

(3) Ist zweifelhaft, ob der Beschuldigte zur Zeit der Tat das achtzehnte Lebensjahr vollendet hat, sind die für Jugendliche geltenden Verfahrensvorschriften anzuwenden.

Zu § 1: Geändert durch G vom 9. 12. 2019 (BGBl I S. 2146).

§ 2 JGG Ziel des Jugendstrafrechts; Anwendung des allgemeinen Strafrechts

(1) 1Die Anwendung des Jugendstrafrechts soll vor allem erneuten Straftaten eines Jugendlichen oder Heranwachsenden entgegenwirken. 2Um dieses Ziel zu erreichen, sind die Rechtsfolgen und unter Beachtung des elterlichen Erziehungsrechts auch das Verfahren vorrangig am Erziehungsgedanken auszurichten.

(2) Die allgemeinen Vorschriften gelten nur, soweit in diesem Gesetz nichts anderes bestimmt ist.

Zu § 2: Geändert durch G vom 13. 12. 2007 (BGBl I S. 2894).

§ 3 JGG Verantwortlichkeit

1Ein Jugendlicher ist strafrechtlich verantwortlich, wenn er zur Zeit der Tat nach seiner sittlichen und geistigen Entwicklung reif genug ist, das Unrecht der Tat einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln. 2Zur Erziehung eines Jugendlichen, der mangels Reife strafrechtlich nicht verantwortlich ist, kann der Richter dieselben Maßnahmen anordnen wie das Familiengericht.

Zu § 3: Geändert durch G vom 16. 12. 1997 (BGBl I S. 2942) und 17. 12. 2008 (BGBl I S. 2586).

§ 4 JGG Rechtliche Einordnung der Taten Jugendlicher

Ob die rechtswidrige Tat eines Jugendlichen als Verbrechen oder Vergehen anzusehen ist und wann sie verjährt, richtet sich nach den Vorschriften des allgemeinen Strafrechts.

§ 5 JGG Die Folgen der Jugendstraftat

(1) Aus Anlass der Straftat eines Jugendlichen können Erziehungsmaßregeln angeordnet werden.

(2) Die Straftat eines Jugendlichen wird mit Zuchtmitteln oder mit Jugendstrafe geahndet, wenn Erziehungsmaßregeln nicht ausreichen.

(3) Von Zuchtmitteln und Jugendstrafe wird abgesehen, wenn die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt die Ahndung durch den Richter entbehrlich macht.

§ 6 JGG Nebenfolgen

(1) 1Auf Unfähigkeit, öffentliche Ämter zu bekleiden, Rechte aus öffentlichen Wahlen zu erlangen oder in öffentlichen Angelegenheiten zu wählen oder zu stimmen, darf nicht erkannt werden. 2Die Bekanntgabe der Verurteilung darf nicht angeordnet werden.

(2) Der Verlust der Fähigkeit, öffentliche Ämter zu bekleiden und Rechte aus öffentlichen Wahlen zu erlangen (§ 45 Abs. 1 des Strafgesetzbuches), tritt nicht ein.

§ 7 JGG Maßregeln der Besserung und Sicherung (1)

(1) Als Maßregeln der Besserung und Sicherung im Sinne des allgemeinen Strafrechts können die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt, die Führungsaufsicht oder die Entziehung der Fahrerlaubnis angeordnet werden (§ 61 Nr. 1, 2, 4 und 5 des Strafgesetzbuches).

(2) 1Das Gericht kann im Urteil die Anordnung der Sicherungsverwahrung vorbehalten, wenn

  1. 1.

    der Jugendliche zu einer Jugendstrafe von mindestens sieben Jahren verurteilt wird wegen oder auch wegen eines Verbrechens

    1. a)

      gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit oder die sexuelle Selbstbestimmung oder

    2. b)

    durch welches das Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt oder einer solchen Gefahr ausgesetzt worden ist, und

  2. 2.

    die Gesamtwürdigung des Jugendlichen und seiner Tat oder seiner Taten ergibt, dass er mit hoher Wahrscheinlichkeit erneut Straftaten der in Nummer 1 bezeichneten Art begehen wird.

2Das Gericht ordnet die Sicherungsverwahrung an, wenn die Gesamtwürdigung des Verurteilten, seiner Tat oder seiner Taten und ergänzend seiner Entwicklung bis zum Zeitpunkt der Entscheidung ergibt, dass von ihm Straftaten der in Satz 1 Nummer 1 bezeichneten Art zu erwarten sind; § 66a Absatz 3 Satz 1 des Strafgesetzbuches gilt entsprechend. 3Für die Prüfung, ob die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung am Ende des Vollzugs der Jugendstrafe auszusetzen ist, und für den Eintritt der Führungsaufsicht gilt § 67c Absatz 1 des Strafgesetzbuches entsprechend.

(3) 1Wird neben der Jugendstrafe die Anordnung der Sicherungsverwahrung vorbehalten und hat der Verurteilte das siebenundzwanzigste Lebensjahr noch nicht vollendet, so ordnet das Gericht an, dass bereits die Jugendstrafe in einer sozialtherapeutischen Einrichtung zu vollziehen ist, es sei denn, dass die Resozialisierung des Verurteilten dadurch nicht besser gefördert werden kann. 2Diese Anordnung kann auch nachträglich erfolgen. 3Solange der Vollzug in einer sozialtherapeutischen Einrichtung noch nicht angeordnet oder der Gefangene noch nicht in eine sozialtherapeutische Einrichtung verlegt worden ist, ist darüber jeweils nach sechs Monaten neu zu entscheiden. 4Für die nachträgliche Anordnung nach Satz 2 ist die Strafvollstreckungskammer zuständig, wenn der Betroffene das vierundzwanzigste Lebensjahr vollendet hat, sonst die für die Entscheidung über Vollzugsmaßnahmen nach § 92 Absatz 2 zuständige Jugendkammer. 5Im Übrigen gelten zum Vollzug der Jugendstrafe § 66c Absatz 2 und § 67a Absatz 2 bis 4 des Strafgesetzbuches entsprechend.

(4) Ist die wegen einer Tat der in Absatz 2 bezeichneten Art angeordnete Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 67d Abs. 6 des Strafgesetzbuches für erledigt erklärt worden, weil der die Schuldfähigkeit ausschließende oder vermindernde Zustand, auf dem die Unterbringung beruhte, im Zeitpunkt der Erledigungsentscheidung nicht bestanden hat, so kann das Gericht nachträglich die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung anordnen, wenn

  1. 1.

    die Unterbringung des Betroffenen nach § 63 des Strafgesetzbuches wegen mehrerer solcher Taten angeordnet wurde oder wenn der Betroffene wegen einer oder mehrerer solcher Taten, die er vor der zur Unterbringung nach § 63 des Strafgesetzbuches führenden Tat begangen hat, schon einmal zu einer Jugendstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt oder in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht worden war und

  2. 2.

    die Gesamtwürdigung des Betroffenen, seiner Taten und ergänzend seiner Entwicklung bis zum Zeitpunkt der Entscheidung ergibt, dass er mit hoher Wahrscheinlichkeit erneut Straftaten der in Absatz 2 bezeichneten Art begehen wird.

(5) Die regelmäßige Frist zur Prüfung, ob die weitere Vollstreckung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung zur Bewährung auszusetzen oder für erledigt zu erklären ist (§ 67e des Strafgesetzbuches), beträgt in den Fällen der Absätze 2 und 4 sechs Monate, wenn die untergebrachte Person bei Beginn des Fristlaufs das vierundzwanzigste Lebensjahr noch nicht vollendet hat.

Zu § 7: Geändert durch G vom 20. 12. 1984 (BGBl I S. 1654), 8. 7. 2008 (BGBl I S. 1212), 22. 12. 2010 (BGBl I S. 2300) und 5. 12. 2012 (BGBl I S. 2425).

(1) Red. Anm.:

Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts

Vom 30. Mai 2011 (BGBl. I S. 1003)

Aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 4. Mai 2011 - 2 BvR 2365/09, 2 BvR 740/10, 2 BvR 2333/08, 2 BvR 1152/10, 2 BvR 571/10 - wird folgende Entscheidungsformel veröffentlicht:

  1. II.
    1. 1.
      1. a)

        § 67d Absatz 3 Satz 1 des Strafgesetzbuchs in der Fassung des Gesetzes zur Bekämpfung von Sexualdelikten und anderen gefährlichen Straftaten vom 26. Januar 1998 (Bundesgesetzblatt Teil I Seite 160) - soweit er zur Anordnung der Fortdauer der Sicherungsverwahrung über zehn Jahre hinaus auch bei Verurteilten ermächtigt, deren Anlasstaten vor Inkrafttreten von Artikel 1 des Gesetzes zur Bekämpfung von Sexualdelikten und anderen gefährlichen Straftaten vom 26. Januar 1998 (Bundesgesetzblatt Teil I Seite 160) begangen wurden -, § 66b Absatz 2 des Strafgesetzbuchs in der Fassung des Gesetzes zur Reform der Führungsaufsicht und zur Änderung der Vorschriften über die nachträgliche Sicherungsverwahrung vom 13. April 2007 (Bundesgesetzblatt Teil I Seite 513), § 7 Absatz 2 des Jugendgerichtsgesetzes in der Fassung des Gesetzes zur Einführung der nachträglichen Sicherungsverwahrung bei Verurteilungen nach Jugendstrafrecht vom 8. Juli 2008 (Bundesgesetzblatt Teil I Seite 1212) sowie

      2. b)

        § 66 des Strafgesetzbuchs in der Fassung des Gesetzes zur Neuordnung des Rechts der Sicherungsverwahrung und zu begleitenden Regelungen vom 22. Dezember 2010 (Bundesgesetzblatt Teil I Seite 2300), § 66 des Strafgesetzbuchs in der Fassung des Gesetzes zur Änderung der Vorschriften über die Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung und zur Änderung anderer Vorschriften vom 27. Dezember 2003 (Bundesgesetzblatt Teil I Seite 3007), § 66a des Strafgesetzbuchs in der Fassung des Gesetzes zur Neuordnung des Rechts der Sicherungsverwahrung und zu begleitenden Regelungen vom 22. Dezember 2010 (Bundesgesetzblatt Teil I Seite 2300), § 66a Absatz 1 und Absatz 2 des Strafgesetzbuchs in der Fassung des Gesetzes zur Einführung der vorbehaltenen Sicherungsverwahrung vom 21. August 2002 (Bundesgesetzblatt Teil I Seite 3344), § 66b des Strafgesetzbuchs in der Fassung des Gesetzes zur Neuordnung des Rechts der Sicherungsverwahrung und zu begleitenden Regelungen vom 22. Dezember 2010 (Bundesgesetzblatt Teil I Seite 2300), § 66b Absatz 1 des Strafgesetzbuchs in der Fassung des Gesetzes zur Reform der Führungsaufsicht und zur Änderung der Vorschriften über die nachträgliche Sicherungsverwahrung vom 13. April 2007 (Bundesgesetzblatt Teil I Seite 513), § 66b Absatz 3 des Strafgesetzbuchs in der Fassung des Gesetzes zur Einführung der nachträglichen Sicherungsverwahrung vom 23. Juli 2004 (Bundesgesetzblatt Teil I Seite 1838), § 67d Absatz 2 Satz 1 des Strafgesetzbuchs in der Fassung des Gesetzes zur Bekämpfung von Sexualdelikten und anderen gefährlichen Straftaten vom 26. Januar 1998 (Bundesgesetzblatt Teil I Seite 160) - soweit er zur Anordnung der Fortdauer der Sicherungsverwahrung bis zu zehn Jahren ermächtigt -, § 67d Absatz 3 Satz 1 des Strafgesetzbuchs in der Fassung des Gesetzes zur Bekämpfung von Sexualdelikten und anderen gefährlichen Straftaten vom 26. Januar 1998 (Bundesgesetzblatt Teil I Seite 160), § 67d Absatz 3 Satz 1 des Strafgesetzbuchs in der Fassung des Gesetzes zur Neuordnung des Rechts der Sicherungsverwahrung und zu begleitenden Regelungen vom 22. Dezember 2010 (Bundesgesetzblatt Teil I Seite 2300), § 7 Absatz 3 des Jugendgerichtsgesetzes in der Fassung des Gesetzes zur Neuordnung des Rechts der Sicherungsverwahrung und zu begleitenden Regelungen vom 22. Dezember 2010 (Bundesgesetzblatt Teil I Seite 2300), § 7 Absatz 3 des Jugendgerichtsgesetzes in der Fassung des Gesetzes zur Einführung der nachträglichen Sicherungsverwahrung bei Verurteilungen nach Jugendstrafrecht vom 8. Juli 2008 (Bundesgesetzblatt Teil I Seite 1212), § 106 Absatz 3 Satz 2 und Satz 3, Absatz 5 und Absatz 6 des Jugendgerichtsgesetzes in der Fassung des Gesetzes zur Neuordnung des Rechts der Sicherungsverwahrung und zu begleitenden Regelungen vom 22. Dezember 2010 (Bundesgesetzblatt Teil I Seite 2300), § 106 Absatz 3 Satz 2 und Satz 3 des Jugendgerichtsgesetzes in der Fassung des Gesetzes zur Änderung der Vorschriften über die Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung und zur Änderung anderer Vorschriften vom 27. Dezember 2003 (Bundesgesetzblatt Teil I Seite 3007), § 106 Absatz 5 des Jugendgerichtsgesetzes in der Fassung des Gesetzes zur Reform der Führungsaufsicht und zur Änderung der Vorschriften über die nachträgliche Sicherungsverwahrung vom 13. April 2007 (Bundesgesetzblatt Teil I Seite 513) und § 106 Absatz 6 des Jugendgerichtsgesetzes in der Fassung des Gesetzes zur Einführung der nachträglichen Sicherungsverwahrung vom 23. Juli 2004 (Bundesgesetzblatt Teil I Seite 1838)

      sind mit Artikel 2 Absatz 2 Satz 2 in Verbindung mit Artikel 104 Absatz 1 des Grundgesetzes unvereinbar.

    2. 2.

      § 67d Absatz 3 Satz 1 des Strafgesetzbuchs in der Fassung des Gesetzes zur Bekämpfung von Sexualdelikten und anderen gefährlichen Straftaten vom 26. Januar 1998 (Bundesgesetzblatt Teil I Seite 160) in Verbindung mit § 2 Absatz 6 des Strafgesetzbuchs - soweit er zur Anordnung der Fortdauer der Sicherungsverwahrung über zehn Jahre hinaus auch bei Verurteilten ermächtigt, deren Anlasstaten vor Inkrafttreten von Artikel 1 des Gesetzes zur Bekämpfung von Sexualdelikten und anderen gefährlichen Straftaten vom 26. Januar 1998 (Bundesgesetzblatt Teil I Seite 160) begangen wurden -, § 66b Absatz 2 des Strafgesetzbuchs in der Fassung des Gesetzes zur Reform der Führungsaufsicht und zur Änderung der Vorschriften über die nachträgliche Sicherungsverwahrung vom 13. April 2007 (Bundesgesetzblatt Teil I Seite 513) und § 7 Absatz 2 des Jugendgerichtsgesetzes in der Fassung des Gesetzes zur Einführung der nachträglichen Sicherungsverwahrung bei Verurteilungen nach Jugendstrafrecht vom 8. Juli 2008 (Bundesgesetzblatt Teil I Seite 1212)

      sind darüber hinaus mit Artikel 2 Absatz 2 Satz 2 in Verbindung mit Artikel 20 Absatz 3 des Grundgesetzes unvereinbar.

  2. III.

    Gemäß § 35 des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht wird angeordnet:

    1. 1.

      Die unter Nummer II.1. angeführten Vorschriften bleiben bis zu einer Neuregelung durch den Gesetzgeber, längstens bis zum 31. Mai 2013, nach Maßgabe der Gründe weiter anwendbar.

    2. 2.

      Die unter Nummer II.2. angeführten Vorschriften bleiben ebenfalls bis zu einer Neuregelung durch den Gesetzgeber, längstens bis zum 31. Mai 2013, weiter anwendbar, jedoch nach folgender Maßgabe:

      1. a)

        In den von § 67d Absatz 3 Satz 1 in Verbindung mit § 2 Absatz 6 des Strafgesetzbuchs erfassten Fällen, in denen die Fortdauer der Sicherungsverwahrung über zehn Jahre hinaus Sicherungsverwahrte betrifft, deren Anlasstaten vor Inkrafttreten von Artikel 1 des Gesetzes zur Bekämpfung von Sexualdelikten und anderen gefährlichen Straftaten vom 26. Januar 1998 (Bundesgesetzblatt Teil I Seite 160) begangen wurden, sowie in den Fällen der nachträglichen Sicherungsverwahrung gemäß § 66b Absatz 2 des Strafgesetzbuchs und des § 7 Absatz 2 des Jugendgerichtsgesetzes dürfen die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung beziehungsweise ihre Fortdauer nur noch angeordnet werden, wenn eine hochgradige Gefahr schwerster Gewalt- oder Sexualstraftaten aus konkreten Umständen in der Person oder dem Verhalten des Untergebrachten abzuleiten ist und dieser an einer psychischen Störung im Sinne von § 1 Absatz 1 Nummer 1 des Gesetzes zur Therapierung und Unterbringung psychisch gestörter Gewalttäter (Therapieunterbringungsgesetz - ThUG) - Artikel 5 des Gesetzes zur Neuordnung des Rechts der Sicherungsverwahrung und zu begleitenden Regelungen vom 22. Dezember 2010 (Bundesgesetzblatt Teil I Seite 2300) - leidet.

      2. b)

        Die zuständigen Vollstreckungsgerichte haben unverzüglich nach Verkündung dieses Urteils zu überprüfen, ob die Voraussetzungen der Fortdauer einer Sicherungsverwahrung nach Buchstabe a) gegeben sind. Liegen die Voraussetzungen nicht vor, ordnen die Vollstreckungsgerichte die Freilassung der betroffenen Sicherungsverwahrten spätestens mit Wirkung zum 31. Dezember 2011 an.

      3. c)

        Die Überprüfungsfrist für die Aussetzung oder Erledigung der Sicherungsverwahrung beträgt in den Fällen des § 7 Absatz 2 des Jugendgerichtsgesetzes abweichend von § 7 Absatz 4 des Jugendgerichtsgesetzes sechs Monate, in den übrigen Fällen des Buchstaben a) abweichend von § 67e Absatz 2 des Strafgesetzbuchs ein Jahr.

Die vorstehende Entscheidungsformel hat gemäß § 31 Absatz 2 des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes Gesetzeskraft.

§ 8 JGG Verbindung von Maßnahmen und Jugendstrafe

(1) 1Erziehungsmaßregeln und Zuchtmittel, ebenso mehrere Erziehungsmaßregeln oder mehrere Zuchtmittel können nebeneinander angeordnet werden. 2Mit der Anordnung von Hilfe zur Erziehung nach § 12 Nr. 2 darf Jugendarrest nicht verbunden werden.

(2) 1Neben Jugendstrafe können nur Weisungen und Auflagen erteilt und die Erziehungsbeistandschaft angeordnet werden. 2Unter den Voraussetzungen des § 16a kann neben der Verhängung einer Jugendstrafe oder der Aussetzung ihrer Verhängung auch Jugendarrest angeordnet werden. 3Steht der Jugendliche unter Bewährungsaufsicht, so ruht eine gleichzeitig bestehende Erziehungsbeistandschaft bis zum Ablauf der Bewährungszeit.

(3) 1Neben Erziehungsmaßregeln, Zuchtmitteln und Jugendstrafe kann auf die nach diesem Gesetz zulässigen Nebenstrafen und Nebenfolgen erkannt werden. 2Ein Fahrverbot darf die Dauer von drei Monaten nicht überschreiten.

Zu § 8: Geändert durch G vom 26. 6. 1990 (BGBl I S. 1163), 4. 9. 2012 (BGBl I S. 1854) und 17. 8. 2017 (BGBl I S. 3202).

§ 9 JGG Arten

Erziehungsmaßregeln sind

  1. 1.
    die Erteilung von Weisungen,
  2. 2.
    die Anordnung, Hilfe zur Erziehung im Sinne des § 12 in Anspruch zu nehmen.

Zu § 9: Neugefasst durch G vom 26. 6. 1990 (BGBl I S. 1163), geändert durch G vom 16. 2. 1993 (BGBl I S. 239).

§ 10 JGG Weisungen

(1) 1Weisungen sind Gebote und Verbote, welche die Lebensführung des Jugendlichen regeln und dadurch seine Erziehung fördern und sichern sollen. 2Dabei dürfen an die Lebensführung des Jugendlichen keine unzumutbaren Anforderungen gestellt werden. 3Der Richter kann dem Jugendlichen insbesondere auferlegen,

  1. 1.
    Weisungen zu befolgen, die sich auf den Aufenthaltsort beziehen,
  2. 2.
    bei einer Familie oder in einem Heim zu wohnen,
  3. 3.
    eine Ausbildungs- oder Arbeitsstelle anzunehmen,
  4. 4.
    Arbeitsleistungen zu erbringen,
  5. 5.
    sich der Betreuung und Aufsicht einer bestimmten Person (Betreuungshelfer) zu unterstellen,
  6. 6.
    an einem sozialen Trainingskurs teilzunehmen,
  7. 7.
    sich zu bemühen, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen (Täter-Opfer-Ausgleich),
  8. 8.
    den Verkehr mit bestimmten Personen oder den Besuch von Gast- oder Vergnügungsstätten zu unterlassen oder
  9. 9.
    an einem Verkehrsunterricht teilzunehmen.

(2) 1Der Richter kann dem Jugendlichen auch mit Zustimmung des Erziehungsberechtigten und des gesetzlichen Vertreters auferlegen, sich einer heilerzieherischen Behandlung durch einen Sachverständigen oder einer Entziehungskur zu unterziehen. 2Hat der Jugendliche das sechzehnte Lebensjahr vollendet, so soll dies nur mit seinem Einverständnis geschehen.

Zu § 10: Geändert durch G vom 30. 8. 1990 (BGBl I S. 1853).

§ 11 JGG Laufzeit und nachträgliche Änderung von Weisungen; Folgen der Zuwiderhandlung

(1) 1Der Richter bestimmt die Laufzeit der Weisungen. 2Die Laufzeit darf zwei Jahre nicht überschreiten; sie soll bei einer Weisung nach § 10 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 nicht mehr als ein Jahr, bei einer Weisung nach § 10 Abs. 1 Satz 3 Nr. 6 nicht mehr als sechs Monate betragen.

(2) Der Richter kann Weisungen ändern, von ihnen befreien oder ihre Laufzeit vor Ablauf bis auf drei Jahre verlängern, wenn dies aus Gründen der Erziehung geboten ist.

(3) 1Kommt der Jugendliche Weisungen schuldhaft nicht nach, so kann Jugendarrest verhängt werden, wenn eine Belehrung über die Folgen schuldhafter Zuwiderhandlung erfolgt war. 2Hiernach verhängter Jugendarrest darf bei einer Verurteilung insgesamt die Dauer von vier Wochen nicht überschreiten. 3Der Richter sieht von der Vollstreckung des Jugendarrestes ab, wenn der Jugendliche nach Verhängung des Arrestes der Weisung nachkommt.

Zu § 11: Geändert durch G vom 30. 8. 1990 (BGBl I S. 1853).

§ 12 JGG Hilfe zur Erziehung

Der Richter kann dem Jugendlichen nach Anhörung des Jugendamts auch auferlegen, unter den im Achten Buch Sozialgesetzbuch genannten Voraussetzungen Hilfe zur Erziehung

  1. 1.
    in Form der Erziehungsbeistandschaft im Sinne des § 30 des Achten Buches Sozialgesetzbuch oder
  2. 2.
    in einer Einrichtung über Tag und Nacht oder in einer sonstigen betreuten Wohnform im Sinne des § 34 des Achten Buches Sozialgesetzbuch

in Anspruch zu nehmen.

Zu § 12: Neugefasst durch G vom 26. 6. 1990 (BGBl I S. 1163), geändert durch G vom 16. 2. 1993 (BGBl I S. 239).

§ 13 JGG Arten und Anwendung

(1) Der Richter ahndet die Straftat mit Zuchtmitteln, wenn Jugendstrafe nicht geboten ist, dem Jugendlichen aber eindringlich zum Bewusstsein gebracht werden muss, dass er für das von ihm begangene Unrecht einzustehen hat.

(2) Zuchtmittel sind

  1. 1.
    die Verwarnung,
  2. 2.
    die Erteilung von Auflagen,
  3. 3.
    der Jugendarrest.

(3) Zuchtmittel haben nicht die Rechtswirkungen einer Strafe.

§ 14 JGG Verwarnung

Durch die Verwarnung soll dem Jugendlichen das Unrecht der Tat eindringlich vorgehalten werden.

§ 15 JGG Auflagen

(1) 1Der Richter kann dem Jugendlichen auferlegen,

  1. 1.
    nach Kräften den durch die Tat verursachten Schaden wiedergutzumachen,
  2. 2.
    sich persönlich bei dem Verletzten zu entschuldigen,
  3. 3.
    Arbeitsleistungen zu erbringen oder
  4. 4.
    einen Geldbetrag zu Gunsten einer gemeinnützigen Einrichtung zu zahlen.

2Dabei dürfen an den Jugendlichen keine unzumutbaren Anforderungen gestellt werden.

(2) Der Richter soll die Zahlung eines Geldbetrages nur anordnen, wenn

  1. 1.
    der Jugendliche eine leichte Verfehlung begangen hat und anzunehmen ist, dass er den Geldbetrag aus Mitteln zahlt, über die er selbstständig verfügen darf, oder
  2. 2.
    dem Jugendlichen der Gewinn, den er aus der Tat erlangt, oder das Entgelt, das er für sie erhalten hat, entzogen werden soll.

(3) 1Der Richter kann nachträglich Auflagen ändern oder von ihrer Erfüllung ganz oder zum Teil befreien, wenn dies aus Gründen der Erziehung geboten ist. 2Bei schuldhafter Nichterfüllung von Auflagen gilt § 11 Abs. 3 entsprechend. 3Ist Jugendarrest vollstreckt worden, so kann der Richter die Auflagen ganz oder zum Teil für erledigt erklären.

Zu § 15: Geändert durch G vom 30. 8. 1990 (BGBl I S. 1853).

§ 16 JGG Jugendarrest

(1) Der Jugendarrest ist Freizeitarrest, Kurzarrest oder Dauerarrest.

(2) Der Freizeitarrest wird für die wöchentliche Freizeit des Jugendlichen verhängt und auf eine oder zwei Freizeiten bemessen.

(3) 1Der Kurzarrest wird statt des Freizeitarrestes verhängt, wenn der zusammenhängende Vollzug aus Gründen der Erziehung zweckmäßig erscheint und weder die Ausbildung noch die Arbeit des Jugendlichen beeinträchtigt werden. 2Dabei stehen zwei Tage Kurzarrest einer Freizeit gleich.

(4) 1Der Dauerarrest beträgt mindestens eine Woche und höchstens vier Wochen. 2Er wird nach vollen Tagen oder Wochen bemessen.

Zu § 16: Geändert durch G vom 30. 8. 1990 (BGBl I S. 1853).

§ 16a JGG Jugendarrest neben Jugendstrafe

(1) Wird die Verhängung oder die Vollstreckung der Jugendstrafe zur Bewährung ausgesetzt, so kann abweichend von § 13 Absatz 1 daneben Jugendarrest verhängt werden, wenn

  1. 1.

    dies unter Berücksichtigung der Belehrung über die Bedeutung der Aussetzung zur Bewährung und unter Berücksichtigung der Möglichkeit von Weisungen und Auflagen geboten ist, um dem Jugendlichen seine Verantwortlichkeit für das begangene Unrecht und die Folgen weiterer Straftaten zu verdeutlichen,

  2. 2.

    dies geboten ist, um den Jugendlichen zunächst für eine begrenzte Zeit aus einem Lebensumfeld mit schädlichen Einflüssen herauszunehmen und durch die Behandlung im Vollzug des Jugendarrests auf die Bewährungszeit vorzubereiten, oder

  3. 3.

    dies geboten ist, um im Vollzug des Jugendarrests eine nachdrücklichere erzieherische Einwirkung auf den Jugendlichen zu erreichen oder um dadurch bessere Erfolgsaussichten für eine erzieherische Einwirkung in der Bewährungszeit zu schaffen.

(2) Jugendarrest nach Absatz 1 Nummer 1 ist in der Regel nicht geboten, wenn der Jugendliche bereits früher Jugendarrest als Dauerarrest verbüßt oder sich nicht nur kurzfristig im Vollzug von Untersuchungshaft befunden hat.

Zu § 16a: Eingefügt durch G vom 4. 9. 2012 (BGBl I S. 1854).

§ 17 JGG Form und Voraussetzungen

(1) Die Jugendstrafe ist Freiheitsentzug in einer für ihren Vollzug vorgesehenen Einrichtung.

(2) Der Richter verhängt Jugendstrafe, wenn wegen der schädlichen Neigungen des Jugendlichen, die in der Tat hervorgetreten sind, Erziehungsmaßregeln oder Zuchtmittel zur Erziehung nicht ausreichen oder wenn wegen der Schwere der Schuld Strafe erforderlich ist.

Zu § 17: Geändert durch G vom 13. 12. 2007 (BGBl I S. 2894).

§ 18 JGG Dauer der Jugendstrafe

(1) 1Das Mindestmaß der Jugendstrafe beträgt sechs Monate, das Höchstmaß fünf Jahre. 2Handelt es sich bei der Tat um ein Verbrechen, für das nach dem allgemeinen Strafrecht eine Höchststrafe von mehr als zehn Jahren Freiheitsstrafe angedroht ist, so ist das Höchstmaß zehn Jahre. 3Die Strafrahmen des allgemeinen Strafrechts gelten nicht.

(2) Die Jugendstrafe ist so zu bemessen, dass die erforderliche erzieherische Einwirkung möglich ist.

§ 19 (weggefallen)

§ 20 (weggefallen)

§ 19 JGG

(weggefallen)

§ 20 (weggefallen)

§ 20 JGG

(weggefallen)

§ 21 JGG Strafaussetzung

(1) 1Bei der Verurteilung zu einer Jugendstrafe von nicht mehr als einem Jahr setzt das Gericht die Vollstreckung der Strafe zur Bewährung aus, wenn zu erwarten ist, dass der Jugendliche sich schon die Verurteilung zur Warnung dienen lassen und auch ohne die Einwirkung des Strafvollzugs unter der erzieherischen Einwirkung in der Bewährungszeit künftig einen rechtschaffenen Lebenswandel führen wird. 2Dabei sind namentlich die Persönlichkeit des Jugendlichen, sein Vorleben, die Umstände seiner Tat, sein Verhalten nach der Tat, seine Lebensverhältnisse und die Wirkungen zu berücksichtigen, die von der Aussetzung für ihn zu erwarten sind. 3Das Gericht setzt die Vollstreckung der Strafe auch dann zur Bewährung aus, wenn die in Satz 1 genannte Erwartung erst dadurch begründet wird, dass neben der Jugendstrafe ein Jugendarrest nach § 16a verhängt wird.

(2) Das Gericht setzt unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 auch die Vollstreckung einer höheren Jugendstrafe, die zwei Jahre nicht übersteigt, zur Bewährung aus, wenn nicht die Vollstreckung im Hinblick auf die Entwicklung des Jugendlichen geboten ist.

(3) 1Die Strafaussetzung kann nicht auf einen Teil der Jugendstrafe beschränkt werden. 2Sie wird durch eine Anrechnung von Untersuchungshaft oder einer anderen Freiheitsentziehung nicht ausgeschlossen.

Zu § 21: Geändert durch G vom 30. 8. 1990 (BGBl I S. 1853) und 4. 9. 2012 (BGBl I S. 1854).

§ 22 JGG Bewährungszeit

(1) 1Der Richter bestimmt die Dauer der Bewährungszeit. 2Sie darf drei Jahre nicht überschreiten und zwei Jahre nicht unterschreiten.

(2) 1Die Bewährungszeit beginnt mit der Rechtskraft der Entscheidung über die Aussetzung der Jugendstrafe. 2Sie kann nachträglich bis auf ein Jahr verkürzt oder vor ihrem Ablauf bis auf vier Jahre verlängert werden. 3In den Fällen des § 21 Abs. 2 darf die Bewährungszeit jedoch nur bis auf zwei Jahre verkürzt werden.

§ 23 JGG Weisungen und Auflagen

(1) 1Der Richter soll für die Dauer der Bewährungszeit die Lebensführung des Jugendlichen durch Weisungen erzieherisch beeinflussen. 2Er kann dem Jugendlichen auch Auflagen erteilen. 3Diese Anordnungen kann er auch nachträglich treffen, ändern oder aufheben. 4Die §§ 10, 11 Abs. 3 und § 15 Abs. 1, 2, 3 Satz 2 gelten entsprechend.

(2) Macht der Jugendliche Zusagen für seine künftige Lebensführung oder erbietet er sich zu angemessenen Leistungen, die der Genugtuung für das begangene Unrecht dienen, so sieht der Richter in der Regel von entsprechenden Weisungen oder Auflagen vorläufig ab, wenn die Erfüllung der Zusagen oder des Anerbietens zu erwarten ist.

§ 24 JGG Bewährungshilfe

(1) 1Der Richter unterstellt den Jugendlichen in der Bewährungszeit für höchstens zwei Jahre der Aufsicht und Leitung eines hauptamtlichen Bewährungshelfers. 2Er kann ihn auch einem ehrenamtlichen Bewährungshelfer unterstellen, wenn dies aus Gründen der Erziehung zweckmäßig erscheint. 3§ 22 Abs. 2 Satz 1 gilt entsprechend.

(2) 1Der Richter kann eine nach Absatz 1 getroffene Entscheidung vor Ablauf der Unterstellungszeit ändern oder aufheben; er kann auch die Unterstellung des Jugendlichen in der Bewährungszeit erneut anordnen. 2Dabei kann das in Absatz 1 Satz 1 bestimmte Höchstmaß überschritten werden.

(3) 1Der Bewährungshelfer steht dem Jugendlichen helfend und betreuend zur Seite. 2Er überwacht im Einvernehmen mit dem Richter die Erfüllung der Weisungen, Auflagen, Zusagen und Anerbieten. 3Der Bewährungshelfer soll die Erziehung des Jugendlichen fördern und möglichst mit dem Erziehungsberechtigten und dem gesetzlichen Vertreter vertrauensvoll zusammenwirken. 4Er hat bei der Ausübung seines Amtes das Recht auf Zutritt zu dem Jugendlichen. 5Er kann von dem Erziehungsberechtigten, dem gesetzlichen Vertreter, der Schule, dem Ausbildenden Auskunft über die Lebensführung des Jugendlichen verlangen.

Zu § 24: Geändert durch G vom 30. 8. 1990 (BGBl I S. 1853).

§ 25 JGG Bestellung und Pflichten des Bewährungshelfers

1Der Bewährungshelfer wird vom Richter bestellt. 2Der Richter kann ihm für seine Tätigkeit nach § 24 Abs. 3 Anweisungen erteilen. 3Der Bewährungshelfer berichtet über die Lebensführung des Jugendlichen in Zeitabständen, die der Richter bestimmt. 4Gröbliche oder beharrliche Verstöße gegen Weisungen, Auflagen, Zusagen oder Anerbieten teilt er dem Richter mit.

Zu § 25: Geändert durch G vom 30. 8. 1990 (BGBl I S. 1853).

§ 26 JGG Widerruf der Strafaussetzung

(1) 1Das Gericht widerruft die Aussetzung der Jugendstrafe, wenn der Jugendliche

  1. 1.
    in der Bewährungszeit eine Straftat begeht und dadurch zeigt, dass die Erwartung, die der Strafaussetzung zu Grunde lag, sich nicht erfüllt hat,
  2. 2.
    gegen Weisungen gröblich oder beharrlich verstößt oder sich der Aufsicht und Leitung des Bewährungshelfers beharrlich entzieht und dadurch Anlass zu der Besorgnis gibt, dass er erneut Straftaten begehen wird, oder
  3. 3.
    gegen Auflagen gröblich oder beharrlich verstößt.

2Satz 1 Nr. 1 gilt entsprechend, wenn die Tat in der Zeit zwischen der Entscheidung über die Strafaussetzung und deren Rechtskraft begangen worden ist. 3Wurde die Jugendstrafe nachträglich durch Beschluss ausgesetzt, ist auch § 57 Absatz 5 Satz 2 des Strafgesetzbuches entsprechend anzuwenden.

(2) Das Gericht sieht jedoch von dem Widerruf ab, wenn es ausreicht,

  1. 1.
    weitere Weisungen oder Auflagen zu erteilen,
  2. 2.
    die Bewährungs- oder Unterstellungszeit bis zu einem Höchstmaß von vier Jahren zu verlängern oder
  3. 3.
    den Jugendlichen vor Ablauf der Bewährungszeit erneut einem Bewährungshelfer zu unterstellen.

(3) 1Leistungen, die der Jugendliche zur Erfüllung von Weisungen, Auflagen, Zusagen oder Anerbieten (§ 23) erbracht hat, werden nicht erstattet. 2Das Gericht kann jedoch, wenn es die Strafaussetzung widerruft, Leistungen, die der Jugendliche zur Erfüllung von Auflagen oder entsprechenden Anerbieten erbracht hat, auf die Jugendstrafe anrechnen. 3Jugendarrest, der nach § 16a verhängt wurde, wird in dem Umfang, in dem er verbüßt wurde, auf die Jugendstrafe angerechnet.

Zu § 26: Geändert durch G vom 8. 12. 1981 (BGBl I S. 1329), 30. 8. 1990 (BGBl I S. 1853) und 4. 9. 2012 (BGBl I S. 1854).

§ 26a JGG Erlass der Jugendstrafe

1Widerruft der Richter die Strafaussetzung nicht, so erlässt er die Jugendstrafe nach Ablauf der Bewährungszeit. 2§ 26 Abs. 3 Satz 1 ist anzuwenden.

§ 27 JGG Voraussetzungen

Kann nach Erschöpfung der Ermittlungsmöglichkeiten nicht mit Sicherheit beurteilt werden, ob in der Straftat eines Jugendlichen schädliche Neigungen von einem Umfang hervorgetreten sind, dass eine Jugendstrafe erforderlich ist, so kann der Richter die Schuld des Jugendlichen feststellen, die Entscheidung über die Verhängung der Jugendstrafe aber für eine von ihm zu bestimmende Bewährungszeit aussetzen.

§ 28 JGG Bewährungszeit

(1) Die Bewährungszeit darf zwei Jahre nicht überschreiten und ein Jahr nicht unterschreiten.

(2) 1Die Bewährungszeit beginnt mit der Rechtskraft des Urteils, in dem die Schuld des Jugendlichen festgestellt wird. 2Sie kann nachträglich bis auf ein Jahr verkürzt oder vor ihrem Ablauf bis auf zwei Jahre verlängert werden.

§ 29 JGG Bewährungshilfe

1Der Jugendliche wird für die Dauer oder einen Teil der Bewährungszeit der Aufsicht und Leitung eines Bewährungshelfers unterstellt. 2Die §§ 23, 24 Abs. 1 Satz 1 und 2, Abs. 2 und 3 und die §§ 25, 28 Abs. 2 Satz 1 sind entsprechend anzuwenden.

Zu § 29: Neugefasst durch G vom 30. 8. 1990 (BGBl I S. 1853).

§ 30 JGG Verhängung der Jugendstrafe; Tilgung des Schuldspruchs

(1) 1Stellt sich vor allem durch schlechte Führung des Jugendlichen während der Bewährungszeit heraus, dass die in dem Schuldspruch missbilligte Tat auf schädliche Neigungen von einem Umfang zurückzuführen ist, dass eine Jugendstrafe erforderlich ist, so erkennt das Gericht auf die Strafe, die es im Zeitpunkt des Schuldspruchs bei sicherer Beurteilung der schädlichen Neigungen des Jugendlichen ausgesprochen hätte. 2§ 26 Absatz 3 Satz 3 gilt entsprechend.

(2) Liegen die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 nach Ablauf der Bewährungszeit nicht vor, so wird der Schuldspruch getilgt.

Zu § 30: Geändert durch G vom 30. 8. 1990 (BGBl I S. 1853) und 4. 9. 2012 (BGBl I S. 1854).

§ 31 JGG Mehrere Straftaten eines Jugendlichen

(1) 1Auch wenn ein Jugendlicher mehrere Straftaten begangen hat, setzt das Gericht nur einheitlich Erziehungsmaßregeln, Zuchtmittel oder eine Jugendstrafe fest. 2Soweit es dieses Gesetz zulässt (§ 8), können ungleichartige Erziehungsmaßregeln und Zuchtmittel nebeneinander angeordnet oder Maßnahmen mit der Strafe verbunden werden. 3Die gesetzlichen Höchstgrenzen des Jugendarrestes und der Jugendstrafe dürfen nicht überschritten werden.

(2) 1Ist gegen den Jugendlichen wegen eines Teils der Straftaten bereits rechtskräftig die Schuld festgestellt oder eine Erziehungsmaßregel, ein Zuchtmittel oder eine Jugendstrafe festgesetzt worden, aber noch nicht vollständig ausgeführt, verbüßt oder sonst erledigt, so wird unter Einbeziehung des Urteils in gleicher Weise nur einheitlich auf Maßnahmen oder Jugendstrafe erkannt. 2Die Anrechnung bereits verbüßten Jugendarrestes steht im Ermessen des Gerichts, wenn es auf Jugendstrafe erkennt. 3§ 26 Absatz 3 Satz 3 und § 30 Absatz 1 Satz 2 bleiben unberührt.

(3) 1Ist es aus erzieherischen Gründen zweckmäßig, so kann das Gericht davon absehen, schon abgeurteilte Straftaten in die neue Entscheidung einzubeziehen. 2Dabei kann es Erziehungsmaßregeln und Zuchtmittel für erledigt erklären, wenn er auf Jugendstrafe erkennt.

Zu § 31: Geändert durch G vom 4. 9. 2012 (BGBl I S. 1854).

§ 32 JGG Mehrere Straftaten in verschiedenen Alters- und Reifestufen

1Für mehrere Straftaten, die gleichzeitig abgeurteilt werden und auf die teils Jugendstrafrecht und teils allgemeines Strafrecht anzuwenden wäre, gilt einheitlich das Jugendstrafrecht, wenn das Schwergewicht bei den Straftaten liegt, die nach Jugendstrafrecht zu beurteilen wären. 2Ist dies nicht der Fall, so ist einheitlich das allgemeine Strafrecht anzuwenden.

§ 33 JGG Jugendgerichte

(1) Über Verfehlungen Jugendlicher entscheiden die Jugendgerichte.

(2) Jugendgerichte sind der Strafrichter als Jugendrichter, das Schöffengericht (Jugendschöffengericht) und die Strafkammer (Jugendkammer).

(3) 1Die Landesregierungen werden ermächtigt, durch Rechtsverordnung zu regeln, dass ein Richter bei einem Amtsgericht zum Jugendrichter für den Bezirk mehrerer Amtsgerichte (Bezirksjugendrichter) bestellt und dass bei einem Amtsgericht ein gemeinsames Jugendschöffengericht für den Bezirk mehrerer Amtsgerichte eingerichtet wird. 2Die Landesregierungen können die Ermächtigung durch Rechtsverordnung auf die Landesjustizverwaltungen übertragen.

Zu § 33: Geändert durch G vom 11. 1. 1993 (BGBl I S. 50).

§ 33a JGG Besetzung des Jugendschöffengerichts

(1) 1Das Jugendschöffengericht besteht aus dem Jugendrichter als Vorsitzenden und zwei Jugendschöffen. 2Als Jugendschöffen sollen zu jeder Hauptverhandlung ein Mann und eine Frau herangezogen werden.

(2) Bei Entscheidungen außerhalb der Hauptverhandlung wirken die Jugendschöffen nicht mit.

Zu § 33a: Eingefügt durch G vom 11. 1. 1993 (BGBl I S. 50), geändert durch G vom 6. 12. 2011 (BGBl I S. 2554).

§ 33b JGG Besetzung der Jugendkammer

(1) Die Jugendkammer ist mit drei Richtern einschließlich des Vorsitzenden und zwei Jugendschöffen (große Jugendkammer), in Verfahren über Berufungen gegen Urteile des Jugendrichters mit dem Vorsitzenden und zwei Jugendschöffen (kleine Jugendkammer) besetzt.

(2) 1Bei der Eröffnung des Hauptverfahrens beschließt die große Jugendkammer über ihre Besetzung in der Hauptverhandlung. 2Ist das Hauptverfahren bereits eröffnet, beschließt sie hierüber bei der Anberaumung des Termins zur Hauptverhandlung. 3Sie beschließt eine Besetzung mit drei Richtern einschließlich des Vorsitzenden und zwei Jugendschöffen, wenn

  1. 1.

    die Sache nach den allgemeinen Vorschriften einschließlich der Regelung des § 74e des Gerichtsverfassungsgesetzes zur Zuständigkeit des Schwurgerichts gehört,

  2. 2.

    ihre Zuständigkeit nach § 41 Absatz 1 Nummer 5 begründet ist oder

  3. 3.

    nach dem Umfang oder der Schwierigkeit der Sache die Mitwirkung eines dritten Richters notwendig erscheint.

4Im Übrigen beschließt die große Jugendkammer eine Besetzung mit zwei Richtern einschließlich des Vorsitzenden und zwei Jugendschöffen.

(3) Die Mitwirkung eines dritten Richters ist nach Absatz 2 Satz 3 Nummer 3 in der Regel notwendig, wenn

  1. 1.

    die Jugendkammer die Sache nach § 41 Absatz 1 Nummer 2 übernommen hat,

  2. 2.

    die Hauptverhandlung voraussichtlich länger als zehn Tage dauern wird oder

  3. 3.

    die Sache eine der in § 74c Absatz 1 Satz 1 des Gerichtsverfassungsgesetzes genannten Straftaten zum Gegenstand hat.

(4) 1In Verfahren über die Berufung gegen ein Urteil des Jugendschöffengerichts gilt Absatz 2 entsprechend. 2Die große Jugendkammer beschließt ihre Besetzung mit drei Richtern einschließlich des Vorsitzenden und zwei Jugendschöffen auch dann, wenn mit dem angefochtenen Urteil auf eine Jugendstrafe von mehr als vier Jahren erkannt wurde.

(5) Hat die große Jugendkammer eine Besetzung mit zwei Richtern einschließlich des Vorsitzenden und zwei Jugendschöffen beschlossen und ergeben sich vor Beginn der Hauptverhandlung neue Umstände, die nach Maßgabe der Absätze 2 bis 4 eine Besetzung mit drei Richtern einschließlich des Vorsitzenden und zwei Jugendschöffen erforderlich machen, beschließt sie eine solche Besetzung.

(6) Ist eine Sache vom Revisionsgericht zurückverwiesen oder die Hauptverhandlung ausgesetzt worden, kann die jeweils zuständige Jugendkammer erneut nach Maßgabe der Absätze 2 bis 4 über ihre Besetzung beschließen.

(7) § 33a Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 gilt entsprechend.

Zu § 33b: Eingefügt durch G vom 11. 1. 1993 (BGBl I S. 50), geändert durch G vom 19. 12. 2000 (BGBl I S. 1756) und 11. 1. 1993 (a. a. O.) in Verb. mit G vom 22. 12. 1997 (BGBl I S. 3223), durch G vom 19. 12. 2000 (a. a. O.), 23. 7. 2002 (BGBl I S. 2850), 24. 8. 2004 (BGBl I S. 2198), 22. 12. 2006 (BGBl I S. 3416), 7. 12. 2008 (BGBl I S. 2348) und 6. 12. 2011 (BGBl I S. 2554).

§ 34 JGG Aufgaben des Jugendrichters

(1) Dem Jugendrichter obliegen alle Aufgaben, die ein Richter beim Amtsgericht im Strafverfahren hat.

(2) 1Dem Jugendrichter sollen für die Jugendlichen die familiengerichtlichen Erziehungsaufgaben übertragen werden. 2Aus besonderen Gründen, namentlich wenn der Jugendrichter für den Bezirk mehrerer Amtsgerichte bestellt ist, kann hiervon abgewichen werden.

(3) Familiengerichtliche Erziehungsaufgaben sind

  1. 1.

    die Unterstützung der Eltern, des Vormunds und des Pflegers durch geeignete Maßnahmen (§ 1631 Absatz 3, § 1802 Absatz 1 Satz 1, § 1813 Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs),

  2. 2.

    die Maßnahmen zur Abwendung einer Gefährdung des Jugendlichen (§§ 1666,  1666a, auch in Verbindung mit § 1802 Absatz 2 Satz 3 und § 1813 Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches).

Zu § 34: Geändert durch G vom 26. 6. 1990 (BGBl I S. 1163), 30. 8. 1990 (BGBl I S. 1853), 16. 12. 1997 (BGBl I S. 2942), 17. 12. 2008 (BGBl I S. 2586) und 4. 5. 2021 (BGBl I S. 882) (1. 1. 2023).

§ 35 JGG Jugendschöffen

(1) 1Die Schöffen der Jugendgerichte (Jugendschöffen) werden auf Vorschlag des Jugendhilfeausschusses für die Dauer von fünf Geschäftsjahren von dem in § 40 des Gerichtsverfassungsgesetzes vorgesehenen Ausschuss gewählt. 2Dieser soll eine gleiche Anzahl von Männern und Frauen wählen.

(2) 1Der Jugendhilfeausschuss soll ebenso viele Männer wie Frauen und muss mindestens die doppelte Anzahl von Personen vorschlagen, die als Jugendschöffen und Jugendersatzschöffen benötigt werden. 2Die Vorgeschlagenen sollen erzieherisch befähigt und in der Jugenderziehung erfahren sein.

(3) 1Die Vorschlagsliste des Jugendhilfeausschusses gilt als Vorschlagsliste im Sinne des § 36 des Gerichtsverfassungsgesetzes. 2Für die Aufnahme in die Liste ist die Zustimmung von zwei Dritteln der anwesenden stimmberechtigten Mitglieder, mindestens jedoch der Hälfte aller stimmberechtigten Mitglieder des Jugendhilfeausschusses erforderlich. 3Die Vorschlagsliste ist im Jugendamt eine Woche lang zu jedermanns Einsicht aufzulegen. 4Der Zeitpunkt der Auflegung ist vorher öffentlich bekannt zu machen.

(4) Bei der Entscheidung über Einsprüche gegen die Vorschlagsliste des Jugendhilfeausschusses und bei der Wahl der Jugendschöffen und Jugendersatzschöffen führt der Jugendrichter den Vorsitz in dem Schöffenwahlausschuss.

(5) Die Jugendschöffen werden in besondere für Männer und Frauen getrennt zu führende Schöffenlisten aufgenommen.

(6) Die Wahl der Jugendschöffen erfolgt gleichzeitig mit der Wahl der Schöffen für die Schöffengerichte und die Strafkammern.

Zu § 35: Geändert durch G vom 16. 2. 1993 (BGBl I S. 239), 21. 12. 2004 (BGBl I S. 3599), 8. 12. 2010 (BGBl I S. 1864) und 25. 6. 2021 (BGBl I S. 2099).

§ 36 JGG Jugendstaatsanwalt

(1) 1Für Verfahren, die zur Zuständigkeit der Jugendgerichte gehören, werden Jugendstaatsanwälte bestellt. 2Richter auf Probe und Beamte auf Probe sollen im ersten Jahr nach ihrer Ernennung nicht zum Jugendstaatsanwalt bestellt werden.

(2) 1Jugendstaatsanwaltliche Aufgaben dürfen Amtsanwälten nur übertragen werden, wenn diese die besonderen Anforderungen erfüllen, die für die Wahrnehmung jugendstaatsanwaltlicher Aufgaben an Staatsanwälte gestellt werden. 2Referendaren kann im Einzelfall die Wahrnehmung jugendstaatsanwaltlicher Aufgaben unter Aufsicht eines Jugendstaatsanwalts übertragen werden. 3Die Sitzungsvertretung in Verfahren vor den Jugendgerichten dürfen Referendare nur unter Aufsicht und im Beisein eines Jugendstaatsanwalts wahrnehmen.

Zu § 36: Geändert durch G vom 26. 6. 2013 (BGBl I S. 1805).

§ 37 JGG Auswahl der Jugendrichter und Jugendstaatsanwälte

(1) 1Die Richter bei den Jugendgerichten und die Jugendstaatsanwälte sollen erzieherisch befähigt und in der Jugenderziehung erfahren sein. 2Sie sollen über Kenntnisse auf den Gebieten der Kriminologie, Pädagogik und Sozialpädagogik sowie der Jugendpsychologie verfügen. 3Einem Richter oder Staatsanwalt, dessen Kenntnisse auf diesen Gebieten nicht belegt sind, sollen die Aufgaben eines Jugendrichters oder Jugendstaatsanwalts erstmals nur zugewiesen werden, wenn der Erwerb der Kenntnisse durch die Wahrnehmung von einschlägigen Fortbildungsangeboten oder eine anderweitige einschlägige Weiterqualifizierung alsbald zu erwarten ist.

(2) Von den Anforderungen des Absatzes 1 kann bei Richtern und Staatsanwälten, die nur im Bereitschaftsdienst zur Wahrnehmung jugendgerichtlicher oder jugendstaatsanwaltlicher Aufgaben eingesetzt werden, abgewichen werden, wenn andernfalls ein ordnungsgemäßer und den betroffenen Richtern und Staatsanwälten zumutbarer Betrieb des Bereitschaftsdiensts nicht gewährleistet wäre.

(3) 1Als Jugendrichter beim Amtsgericht oder als Vorsitzender einer Jugendkammer sollen nach Möglichkeit Personen eingesetzt werden, die bereits über Erfahrungen aus früherer Wahrnehmung jugendgerichtlicher oder jugendstaatsanwaltlicher Aufgaben verfügen. 2Davon kann bei Richtern, die nur im Bereitschaftsdienst Geschäfte des Jugendrichters wahrnehmen, abgewichen werden. 3Ein Richter auf Probe darf im ersten Jahr nach seiner Ernennung Geschäfte des Jugendrichters nicht wahrnehmen.

Zu § 37: Geändert durch G vom 16. 6. 2021 (BGBl I S. 1810) (1. 1. 2022).

§ 37a JGG Zusammenarbeit in gemeinsamen Gremien

(1) Jugendrichter und Jugendstaatsanwälte können zum Zweck einer abgestimmten Aufgabenwahrnehmung fallübergreifend mit öffentlichen Einrichtungen und sonstigen Stellen, deren Tätigkeit sich auf die Lebenssituation junger Menschen auswirkt, zusammenarbeiten, insbesondere durch Teilnahme an gemeinsamen Konferenzen und Mitwirkung in vergleichbaren gemeinsamen Gremien.

(2) An einzelfallbezogener derartiger Zusammenarbeit sollen Jugendstaatsanwälte teilnehmen, wenn damit aus ihrer Sicht die Erreichung des Ziels nach § 2 Absatz 1 gefördert wird.

Zu § 37a: Eingefügt durch G vom 3. 6. 2021 (BGBl I S. 1444).

§ 38 JGG Jugendgerichtshilfe

(1) Die Jugendgerichtshilfe wird von den Jugendämtern im Zusammenwirken mit den Vereinigungen für Jugendhilfe ausgeübt.

(2) 1Die Vertreter der Jugendgerichtshilfe bringen die erzieherischen, sozialen und sonstigen im Hinblick auf die Ziele und Aufgaben der Jugendhilfe bedeutsamen Gesichtspunkte im Verfahren vor den Jugendgerichten zur Geltung. 2Sie unterstützen zu diesem Zweck die beteiligten Behörden durch Erforschung der Persönlichkeit, der Entwicklung und des familiären, sozialen und wirtschaftlichen Hintergrundes des Jugendlichen und äußern sich zu einer möglichen besonderen Schutzbedürftigkeit sowie zu den Maßnahmen, die zu ergreifen sind.

(3) 1Sobald es im Verfahren von Bedeutung ist, soll über das Ergebnis der Nachforschungen nach Absatz 2 möglichst zeitnah Auskunft gegeben werden. 2In Haftsachen berichten die Vertreter der Jugendgerichtshilfe beschleunigt über das Ergebnis ihrer Nachforschungen. 3Bei einer wesentlichen Änderung der nach Absatz 2 bedeutsamen Umstände führen sie nötigenfalls ergänzende Nachforschungen durch und berichten der Jugendstaatsanwaltschaft und nach Erhebung der Anklage auch dem Jugendgericht darüber.

(4) 1Ein Vertreter der Jugendgerichtshilfe nimmt an der Hauptverhandlung teil, soweit darauf nicht nach Absatz 7 verzichtet wird. 2Entsandt werden soll die Person, die die Nachforschungen angestellt hat. 3Erscheint trotz rechtzeitiger Mitteilung nach § 50 Absatz 3 Satz 1 kein Vertreter der Jugendgerichtshilfe in der Hauptverhandlung und ist kein Verzicht nach Absatz 7 erklärt worden, so kann dem Träger der öffentlichen Jugendhilfe auferlegt werden, die dadurch verursachten Kosten zu ersetzen; § 51 Absatz 2 der Strafprozessordnung gilt entsprechend.

(5) 1Soweit nicht ein Bewährungshelfer dazu berufen ist, wacht die Jugendgerichtshilfe darüber, dass der Jugendliche Weisungen und Auflagen nachkommt. 2Erhebliche Zuwiderhandlungen teilt sie dem Jugendgericht mit. 3Im Fall der Unterstellung nach § 10 Absatz 1 Satz 3 Nummer 5 übt sie die Betreuung und Aufsicht aus, wenn das Jugendgericht nicht eine andere Person damit betraut. 4Während der Bewährungszeit arbeitet sie eng mit dem Bewährungshelfer zusammen. 5Während des Vollzugs bleibt sie mit dem Jugendlichen in Verbindung und nimmt sich seiner Wiedereingliederung in die Gemeinschaft an.

(6) 1Im gesamten Verfahren gegen einen Jugendlichen ist die Jugendgerichtshilfe heranzuziehen. 2Dies soll so früh wie möglich geschehen. 3Vor der Erteilung von Weisungen (§ 10) sind die Vertreter der Jugendgerichtshilfe stets zu hören; kommt eine Betreuungsweisung in Betracht, sollen sie sich auch dazu äußern, wer als Betreuungshelfer bestellt werden soll.

(7) 1Das Jugendgericht und im Vorverfahren die Jugendstaatsanwaltschaft können auf die Erfüllung der Anforderungen des Absatzes 3 und auf Antrag der Jugendgerichtshilfe auf die Erfüllung der Anforderungen des Absatzes 4 Satz 1 verzichten, soweit dies auf Grund der Umstände des Falles gerechtfertigt und mit dem Wohl des Jugendlichen vereinbar ist. 2Der Verzicht ist der Jugendgerichtshilfe und den weiteren am Verfahren Beteiligten möglichst frühzeitig mitzuteilen. 3Im Vorverfahren kommt ein Verzicht insbesondere in Betracht, wenn zu erwarten ist, dass das Verfahren ohne Erhebung der öffentlichen Klage abgeschlossen wird. 4Der Verzicht auf die Anwesenheit eines Vertreters der Jugendgerichtshilfe in der Hauptverhandlung kann sich auf Teile der Hauptverhandlung beschränken. 5Er kann auch während der Hauptverhandlung erklärt werden und bedarf in diesem Fall keines Antrags.

Zu § 38: Geändert durch G vom 30. 8. 1990 (BGBl I S. 1853) und 9. 12. 2019 (BGBl I S. 2146).

§ 39 JGG Sachliche Zuständigkeit des Jugendrichters

(1) 1Der Jugendrichter ist zuständig für Verfehlungen Jugendlicher, wenn nur Erziehungsmaßregeln, Zuchtmittel, nach diesem Gesetz zulässige Nebenstrafen und Nebenfolgen oder die Entziehung der Fahrerlaubnis zu erwarten sind und der Staatsanwalt Anklage beim Strafrichter erhebt. 2Der Jugendrichter ist nicht zuständig in Sachen, die nach § 103 gegen Jugendliche und Erwachsene verbunden sind, wenn für die Erwachsenen nach allgemeinen Vorschriften der Richter beim Amtsgericht nicht zuständig wäre. 3§ 209 Abs. 2 der Strafprozessordnung gilt entsprechend.

(2) Der Jugendrichter darf auf Jugendstrafe von mehr als einem Jahr nicht erkennen; die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus darf er nicht anordnen.

Zu § 39: Geändert durch G vom 5. 10. 1978 (BGBl I S. 1645) und 30. 8. 1990 (BGBl I S. 1853).

§ 40 JGG Sachliche Zuständigkeit des Jugendschöffengerichts

(1) 1Das Jugendschöffengericht ist zuständig für alle Verfehlungen, die nicht zur Zuständigkeit eines anderen Jugendgerichts gehören. 2§ 209 der Strafprozessordnung gilt entsprechend.

(2) Das Jugendschöffengericht kann bis zur Eröffnung des Hauptverfahrens von Amts wegen die Entscheidung der Jugendkammer darüber herbeiführen, ob sie eine Sache wegen ihres besonderen Umfangs übernehmen will.

(3) Vor Erlass des Übernahmebeschlusses fordert der Vorsitzende der Jugendkammer den Angeschuldigten auf, sich innerhalb einer zu bestimmenden Frist zu erklären, ob er die Vornahme einzelner Beweiserhebungen vor der Hauptverhandlung beantragen will.

(4) 1Der Beschluss, durch den die Jugendkammer die Sache übernimmt oder die Übernahme ablehnt, ist nicht anfechtbar. 2Der Übernahmebeschluss ist mit dem Eröffnungsbeschluss zu verbinden.

Zu § 40: Geändert durch G vom 5. 10. 1978 (BGBl I S. 1645).

§ 41 JGG Sachliche Zuständigkeit der Jugendkammer

(1) Die Jugendkammer ist als erkennendes Gericht des ersten Rechtszuges zuständig in Sachen,

  1. 1.

    die nach den allgemeinen Vorschriften einschließlich der Regelung des § 74e des Gerichtsverfassungsgesetzes zur Zuständigkeit des Schwurgerichts gehören,

  2. 2.

    die sie nach Vorlage durch das Jugendschöffengericht wegen ihres besonderen Umfangs übernimmt (§ 40 Abs. 2),

  3. 3.

    die nach § 103 gegen Jugendliche und Erwachsene verbunden sind, wenn für die Erwachsenen nach allgemeinen Vorschriften eine große Strafkammer zuständig wäre,

  4. 4.

    bei denen die Staatsanwaltschaft wegen der besonderen Schutzbedürftigkeit von Verletzten der Straftat, die als Zeugen in Betracht kommen, Anklage bei der Jugendkammer erhebt und

  5. 5.

    bei denen dem Beschuldigten eine Tat der in § 7 Abs. 2 bezeichneten Art vorgeworfen wird und eine höhere Strafe als fünf Jahre Jugendstrafe oder die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus zu erwarten ist.

(2) 1Die Jugendkammer ist außerdem zuständig für die Verhandlung und Entscheidung über das Rechtsmittel der Berufung gegen die Urteile des Jugendrichters und des Jugendschöffengerichts. 2Sie trifft auch die in § 73 Abs. 1 des Gerichtsverfassungsgesetzes bezeichneten Entscheidungen.

Zu § 41: Geändert durch G vom 5. 10. 1978 (BGBl I S. 1645), 22. 12. 2006 (BGBl I S. 3416) und 8. 7. 2008 (BGBl I S. 1212).

§ 42 JGG Örtliche Zuständigkeit

(1) Neben dem Richter, der nach dem allgemeinen Verfahrensrecht oder nach besonderen Vorschriften zuständig ist, sind zuständig

  1. 1.

    der Richter, dem die familiengerichtlichen Erziehungsaufgaben für den Beschuldigten obliegen,

  2. 2.

    der Richter, in dessen Bezirk sich der auf freiem Fuß befindliche Beschuldigte zur Zeit der Erhebung der Anklage aufhält,

  3. 3.

    solange der Beschuldigte eine Jugendstrafe noch nicht vollständig verbüßt hat, der Richter, dem die Aufgaben des Vollstreckungsleiters obliegen.

(2) Der Staatsanwalt soll die Anklage nach Möglichkeit vor dem Richter erheben, dem die familiengerichtlichen Erziehungsaufgaben obliegen, solange aber der Beschuldigte eine Jugendstrafe noch nicht vollständig verbüßt hat, vor dem Richter, dem die Aufgaben des Vollstreckungsleiters obliegen.

(3) 1Wechselt der Angeklagte seinen Aufenthalt, so kann der Richter das Verfahren mit Zustimmung des Staatsanwalts an den Richter abgeben, in dessen Bezirk sich der Angeklagte aufhält. 2Hat der Richter, an den das Verfahren abgegeben worden ist, gegen die Übernahme Bedenken, so entscheidet das gemeinschaftliche obere Gericht.

Zu § 42: Geändert durch G vom 16. 12. 1997 (BGBl I S. 2942) und 17. 12. 2008 (BGBl I S. 2586).

§ 43 JGG Umfang der Ermittlungen

(1) 1Nach Einleitung des Verfahrens sollen so bald wie möglich die Lebens- und Familienverhältnisse, der Werdegang, das bisherige Verhalten des Beschuldigten und alle übrigen Umstände ermittelt werden, die zur Beurteilung seiner seelischen, geistigen und charakterlichen Eigenart dienen können. 2Der Erziehungsberechtigte und der gesetzliche Vertreter, die Schule und der Ausbildende sollen, soweit möglich, gehört werden. 3Die Anhörung der Schule oder des Ausbildenden unterbleibt, wenn der Jugendliche davon unerwünschte Nachteile, namentlich den Verlust seines Ausbildungs- oder Arbeitsplatzes, zu besorgen hätte. 4§ 38 Absatz 6 und § 70 Absatz 2 sind zu beachten.

(2) 1Soweit erforderlich, ist eine Untersuchung des Beschuldigten, namentlich zur Feststellung seines Entwicklungsstandes oder anderer für das Verfahren wesentlicher Eigenschaften, herbeizuführen. 2Nach Möglichkeit soll ein zur Untersuchung von Jugendlichen befähigter Sachverständiger mit der Durchführung der Anordnung beauftragt werden.

Zu § 43: Geändert durch G vom 26. 6. 1990 (BGBl I S. 1163), 30. 8. 1990 (BGBl I S. 1853) und 9. 12. 2019 (BGBl I S. 2146).

§ 44 JGG Vernehmung des Beschuldigten bei zu erwartender Jugendstrafe

Ist Jugendstrafe zu erwarten, so soll der Staatsanwalt oder der Vorsitzende des Jugendgerichts den Beschuldigten vernehmen, ehe die Anklage erhoben wird.

Zu § 44: Geändert durch G vom 9. 12. 2019 (BGBl I S. 2146).

§ 45 JGG Absehen von der Verfolgung

(1) Der Staatsanwalt kann ohne Zustimmung des Richters von der Verfolgung absehen, wenn die Voraussetzungen des § 153 der Strafprozessordnung vorliegen.

(2) 1Der Staatsanwalt sieht von der Verfolgung ab, wenn eine erzieherische Maßnahme bereits durchgeführt oder eingeleitet ist und er weder eine Beteiligung des Richters nach Absatz 3 noch die Erhebung der Anklage für erforderlich hält. 2Einer erzieherischen Maßnahme steht das Bemühen des Jugendlichen gleich, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen.

(3) 1Der Staatsanwalt regt die Erteilung einer Ermahnung, von Weisungen nach § 10 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4, 7 und 9 oder von Auflagen durch den Jugendrichter an, wenn der Beschuldigte geständig ist und der Staatsanwalt die Anordnung einer solchen richterlichen Maßnahme für erforderlich, die Erhebung der Anklage aber nicht für geboten hält. 2Entspricht der Jugendrichter der Anregung, so sieht der Staatsanwalt von der Verfolgung ab, bei Erteilung von Weisungen oder Auflagen jedoch nur, nachdem der Jugendliche ihnen nachgekommen ist. 3§ 11 Abs. 3 und § 15 Abs. 3 Satz 2 sind nicht anzuwenden. 4§ 47 Abs. 3 findet entsprechende Anwendung.

Zu § 45: Neugefasst durch G vom 30. 8. 1990 (BGBl I S. 1853).

§ 46 JGG Wesentliches Ergebnis der Ermittlungen

Der Staatsanwalt soll das wesentliche Ergebnis der Ermittlungen in der Anklageschrift (§ 200 Abs. 2 der Strafprozessordnung) so darstellen, dass die Kenntnisnahme durch den Beschuldigten möglichst keine Nachteile für seine Erziehung verursacht.

§ 46a JGG Anklage vor Berichterstattung der Jugendgerichtshilfe

1Abgesehen von Fällen des § 38 Absatz 7 darf die Anklage auch dann vor einer Berichterstattung der Jugendgerichtshilfe nach § 38 Absatz 3 erhoben werden, wenn dies dem Wohl des Jugendlichen dient und zu erwarten ist, dass das Ergebnis der Nachforschungen spätestens zu Beginn der Hauptverhandlung zur Verfügung stehen wird. 2Nach Erhebung der Anklage ist der Jugendstaatsanwaltschaft und dem Jugendgericht zu berichten.

Zu § 46a: Eingefügt durch G vom 9. 12. 2019 (BGBl I S. 2146).

§ 47 JGG Einstellung des Verfahrens durch den Richter

(1) 1Ist die Anklage eingereicht, so kann der Richter das Verfahren einstellen, wenn

  1. 1.
    die Voraussetzungen des § 153 der Strafprozessordnung vorliegen,
  2. 2.
    eine erzieherische Maßnahme im Sinne des § 45 Abs. 2, die eine Entscheidung durch Urteil entbehrlich macht, bereits durchgeführt oder eingeleitet ist,
  3. 3.
    der Richter eine Entscheidung durch Urteil für entbehrlich hält und gegen den geständigen Jugendlichen eine in § 45 Abs. 3 Satz 1 bezeichnete Maßnahme anordnet oder
  4. 4.
    der Angeklagte mangels Reife strafrechtlich nicht verantwortlich ist.

2In den Fällen von Satz 1 Nr. 2 und 3 kann der Richter mit Zustimmung des Staatsanwalts das Verfahren vorläufig einstellen und dem Jugendlichen eine Frist von höchstens sechs Monaten setzen, binnen der er den Auflagen, Weisungen oder erzieherischen Maßnahmen nachzukommen hat. 3Die Entscheidung ergeht durch Beschluss. 4Der Beschluss ist nicht anfechtbar. 5Kommt der Jugendliche den Auflagen, Weisungen oder erzieherischen Maßnahmen nach, so stellt der Richter das Verfahren ein. 6§ 11 Abs. 3 und § 15 Abs. 3 Satz 2 sind nicht anzuwenden.

(2) 1Die Einstellung bedarf der Zustimmung des Staatsanwalts, soweit er nicht bereits der vorläufigen Einstellung zugestimmt hat. 2Der Einstellungsbeschluss kann auch in der Hauptverhandlung ergehen. 3Er wird mit Gründen versehen und ist nicht anfechtbar. 4Die Gründe werden dem Angeklagten nicht mitgeteilt, soweit davon Nachteile für die Erziehung zu befürchten sind.

(3) Wegen derselben Tat kann nur auf Grund neuer Tatsachen oder Beweismittel von neuem Anklage erhoben werden.

Zu § 47: Geändert durch G vom 30. 8. 1990 (BGBl I S. 1853).

§ 47a JGG Vorrang der Jugendgerichte

1Ein Jugendgericht darf sich nach Eröffnung des Hauptverfahrens nicht für unzuständig erklären, weil die Sache vor ein für allgemeine Strafsachen zuständiges Gericht gleicher oder niedrigerer Ordnung gehöre. 2§ 103 Abs. 2 Satz 2, 3 bleibt unberührt.

Zu § 47a: Eingefügt durch G vom 5. 10. 1978 (BGBl I S. 1645).

§ 48 JGG Nichtöffentlichkeit

(1) Die Verhandlung vor dem erkennenden Gericht einschließlich der Verkündung der Entscheidungen ist nicht öffentlich.

(2) 1Neben den am Verfahren Beteiligten ist dem Verletzten, seinem Erziehungsberechtigten und seinem gesetzlichen Vertreter und, falls der Angeklagte der Aufsicht und Leitung eines Bewährungshelfers oder der Betreuung und Aufsicht eines Betreuungshelfers untersteht oder für ihn ein Erziehungsbeistand bestellt ist, dem Helfer und dem Erziehungsbeistand die Anwesenheit gestattet. 2Das Gleiche gilt in den Fällen, in denen dem Jugendlichen Hilfe zur Erziehung in einem Heim oder einer vergleichbaren Einrichtung gewährt wird, für den Leiter der Einrichtung. 3Andere Personen kann der Vorsitzende aus besonderen Gründen, namentlich zu Ausbildungszwecken, zulassen.

(3) 1Sind in dem Verfahren auch Heranwachsende oder Erwachsene angeklagt, so ist die Verhandlung öffentlich. 2Die Öffentlichkeit kann ausgeschlossen werden, wenn dies im Interesse der Erziehung jugendlicher Angeklagter geboten ist.

Zu § 48: Geändert durch G vom 30. 8. 1990 (BGBl I S. 1853) und 22. 12. 2006 (BGBl I S. 3416).

§ 49 (weggefallen)

§ 49 JGG

(weggefallen)

§ 50 JGG Anwesenheit in der Hauptverhandlung

(1) Die Hauptverhandlung kann nur dann ohne den Angeklagten stattfinden, wenn dies im allgemeinen Verfahren zulässig wäre, besondere Gründe dafür vorliegen und die Jugendstaatsanwaltschaft zustimmt.

(2) 1Der Vorsitzende soll auch die Ladung der Erziehungsberechtigten und der gesetzlichen Vertreter anordnen. 2Die Vorschriften über die Ladung, die Folgen des Ausbleibens und die Entschädigung von Zeugen gelten entsprechend.

(3) 1Der Jugendgerichtshilfe sind Ort und Zeit der Hauptverhandlung in angemessener Frist vor dem vorgesehenen Termin mitzuteilen. 2Der Vertreter der Jugendgerichtshilfe erhält in der Hauptverhandlung auf Verlangen das Wort. 3Ist kein Vertreter der Jugendgerichtshilfe anwesend, kann unter den Voraussetzungen des § 38 Absatz 7 Satz 1 ein schriftlicher Bericht der Jugendgerichtshilfe in der Hauptverhandlung verlesen werden.

(4) 1Nimmt ein bestellter Bewährungshelfer an der Hauptverhandlung teil, so soll er zu der Entwicklung des Jugendlichen in der Bewährungszeit gehört werden. 2Satz 1 gilt für einen bestellten Betreuungshelfer und den Leiter eines sozialen Trainingskurses, an dem der Jugendliche teilnimmt, entsprechend.

Zu § 50: Geändert durch G vom 30. 8. 1990 (BGBl I S. 1853) und 9. 12. 2019 (BGBl I S. 2146).

§ 51 JGG Zeitweilige Ausschließung von Beteiligten

(1) 1Der Vorsitzende soll den Angeklagten für die Dauer solcher Erörterungen von der Verhandlung ausschließen, aus denen Nachteile für die Erziehung entstehen können. 2Er hat ihn von dem, was in seiner Abwesenheit verhandelt worden ist, zu unterrichten, soweit es für seine Verteidigung erforderlich ist.

(2) 1Der Vorsitzende kann auch Erziehungsberechtigte und gesetzliche Vertreter des Angeklagten von der Verhandlung ausschließen, soweit

  1. 1.

    erhebliche erzieherische Nachteile drohen, weil zu befürchten ist, dass durch die Erörterung der persönlichen Verhältnisse des Angeklagten in ihrer Gegenwart eine erforderliche künftige Zusammenarbeit zwischen den genannten Personen und der Jugendgerichtshilfe bei der Umsetzung zu erwartender jugendgerichtlicher Sanktionen in erheblichem Maße erschwert wird,

  2. 2.

    sie verdächtig sind, an der Verfehlung des Angeklagten beteiligt zu sein, oder soweit sie wegen einer Beteiligung verurteilt sind,

  3. 3.

    eine Gefährdung des Lebens, des Leibes oder der Freiheit des Angeklagten, eines Zeugen oder einer anderen Person oder eine sonstige erhebliche Beeinträchtigung des Wohls des Angeklagten zu besorgen ist,

  4. 4.

    zu befürchten ist, dass durch ihre Anwesenheit die Ermittlung der Wahrheit beeinträchtigt wird, oder

  5. 5.

    Umstände aus dem persönlichen Lebensbereich eines Verfahrensbeteiligten, Zeugen oder durch eine rechtswidrige Tat Verletzten zur Sprache kommen, deren Erörterung in ihrer Anwesenheit schutzwürdige Interessen verletzen würde, es sei denn, das Interesse der Erziehungsberechtigten und gesetzlichen Vertreter an der Erörterung dieser Umstände in ihrer Gegenwart überwiegt.

2Der Vorsitzende kann in den Fällen des Satzes 1 Nr. 3 bis 5 auch Erziehungsberechtigte und gesetzliche Vertreter des Verletzten von der Verhandlung ausschließen, im Fall der Nummer 3 auch dann, wenn eine sonstige erhebliche Beeinträchtigung des Wohls des Verletzten zu besorgen ist. 3Erziehungsberechtigte und gesetzliche Vertreter sind auszuschließen, wenn die Voraussetzungen des Satzes 1 Nr. 5 vorliegen und der Ausschluss von der Person, deren Lebensbereich betroffen ist, beantragt wird. 4Satz 1 Nr. 5 gilt nicht, soweit die Personen, deren Lebensbereiche betroffen sind, in der Hauptverhandlung dem Ausschluss widersprechen.

(4) 1In den Fällen des Absatzes 2 ist vor einem Ausschluss auf ein einvernehmliches Verlassen des Sitzungssaales hinzuwirken. 2Der Vorsitzende hat die Erziehungsberechtigten und gesetzlichen Vertreter des Angeklagten, sobald diese wieder anwesend sind, in geeigneter Weise von dem wesentlichen Inhalt dessen zu unterrichten, was während ihrer Abwesenheit ausgesagt oder sonst verhandelt worden ist.

(5) Der Ausschluss von Erziehungsberechtigten und gesetzlichen Vertretern nach den Absätzen 2 und 3 ist auch zulässig, wenn sie zum Beistand (§ 69) bestellt sind.

(6) 1Werden die Erziehungsberechtigten und die gesetzlichen Vertreter für einen nicht unerheblichen Teil der Hauptverhandlung ausgeschlossen, so ist für die Dauer ihres Ausschlusses von dem Vorsitzenden einer anderen für den Schutz der Interessen des Jugendlichen geeigneten volljährigen Person die Anwesenheit zu gestatten. 2Dem Jugendlichen soll Gelegenheit gegeben werden, eine volljährige Person seines Vertrauens zu bezeichnen. 3Die anwesende andere geeignete Person erhält in der Hauptverhandlung auf Verlangen das Wort. 4Wird keiner sonstigen anderen Person nach Satz 1 die Anwesenheit gestattet, muss ein für die Betreuung des Jugendlichen in dem Jugendstrafverfahren zuständiger Vertreter der Jugendhilfe anwesend sein.

(7) Sind in der Hauptverhandlung keine Erziehungsberechtigten und keine gesetzlichen Vertreter anwesend, weil sie binnen angemessener Frist nicht erreicht werden konnten, so gilt Absatz 6 entsprechend.

Zu § 51: Geändert durch G vom 22. 12. 2006 (BGBl I S. 3416) und 9. 12. 2019 (BGBl I S. 2146).

§ 51a JGG Neubeginn der Hauptverhandlung

Ergibt sich erst während der Hauptverhandlung, dass die Mitwirkung eines Verteidigers nach § 68 Nummer 5 notwendig ist, so ist mit der Hauptverhandlung von neuem zu beginnen, wenn der Jugendliche nicht von Beginn der Hauptverhandlung an verteidigt war.

Zu § 51a: Eingefügt durch G vom 9. 12. 2019 (BGBl I S. 2146).

§ 52 JGG Berücksichtigung von Untersuchungshaft bei Jugendarrest

Wird auf Jugendarrest erkannt und ist dessen Zweck durch Untersuchungshaft oder eine andere wegen der Tat erlittene Freiheitsentziehung ganz oder teilweise erreicht, so kann der Richter im Urteil aussprechen, dass oder wieweit der Jugendarrest nicht vollstreckt wird.

§ 52a JGG Anrechnung von Untersuchungshaft bei Jugendstrafe

(1) 1Hat der Angeklagte aus Anlass einer Tat, die Gegenstand des Verfahrens ist oder gewesen ist, Untersuchungshaft oder eine andere Freiheitsentziehung erlitten, so wird sie auf die Jugendstrafe angerechnet. 2Der Richter kann jedoch anordnen, dass die Anrechnung ganz oder zum Teil unterbleibt, wenn sie im Hinblick auf das Verhalten des Angeklagten nach der Tat oder aus erzieherischen Gründen nicht gerechtfertigt ist. 3Erzieherische Gründe liegen namentlich vor, wenn bei Anrechnung der Freiheitsentziehung die noch erforderliche erzieherische Einwirkung auf den Angeklagten nicht gewährleistet ist.

(2) (weggefallen)

Zu § 52a: Geändert durch G vom 30. 8. 1990 (BGBl I S. 1853).

§ 53 JGG Überweisung an das Familiengericht

1Der Richter kann dem Familiengericht im Urteil die Auswahl und Anordnung von Erziehungsmaßregeln überlassen, wenn er nicht auf Jugendstrafe erkennt. 2Das Familiengericht muss dann eine Erziehungsmaßregel anordnen, soweit sich nicht die Umstände, die für das Urteil maßgebend waren, verändert haben.

Zu § 53: Geändert durch G vom 16. 12. 1997 (BGBl I S. 2942) und 17. 12. 2008 (BGBl I S. 2586).

§ 54 JGG Urteilsgründe

(1) 1Wird der Angeklagte schuldig gesprochen, so wird in den Urteilsgründen auch ausgeführt, welche Umstände für seine Bestrafung, für die angeordneten Maßnahmen, für die Überlassung ihrer Auswahl und Anordnung an das Familiengericht oder für das Absehen von Zuchtmitteln und Strafe bestimmend waren. 2Dabei soll namentlich die seelische, geistige und körperliche Eigenart des Angeklagten berücksichtigt werden.

(2) Die Urteilsgründe werden dem Angeklagten nicht mitgeteilt, soweit davon Nachteile für die Erziehung zu befürchten sind.

Zu § 54: Geändert durch G vom 16. 12. 1997 (BGBl I S. 2942) und 17. 12. 2008 (BGBl I S. 2586).

§ 55 JGG Anfechtung von Entscheidungen

(1) 1Eine Entscheidung, in der lediglich Erziehungsmaßregeln oder Zuchtmittel angeordnet oder die Auswahl und Anordnung von Erziehungsmaßregeln dem Familiengericht überlassen sind, kann nicht wegen des Umfangs der Maßnahmen und nicht deshalb angefochten werden, weil andere oder weitere Erziehungsmaßregeln oder Zuchtmittel hätten angeordnet werden sollen oder weil die Auswahl und Anordnung der Erziehungsmaßregeln dem Familiengericht überlassen worden sind. 2Diese Vorschrift gilt nicht, wenn der Richter angeordnet hat, Hilfe zur Erziehung nach § 12 Nr. 2 in Anspruch zu nehmen.

(2) 1Wer eine zulässige Berufung eingelegt hat, kann gegen das Berufungsurteil nicht mehr Revision einlegen. 2Hat der Angeklagte, der Erziehungsberechtigte oder der gesetzliche Vertreter eine zulässige Berufung eingelegt, so steht gegen das Berufungsurteil keinem von ihnen das Rechtsmittel der Revision zu.

(3) Der Erziehungsberechtigte oder der gesetzliche Vertreter kann das von ihm eingelegte Rechtsmittel nur mit Zustimmung des Angeklagten zurücknehmen.

(4) Soweit ein Beteiligter nach Absatz 1 Satz 1 an der Anfechtung einer Entscheidung gehindert ist oder nach Absatz 2 kein Rechtsmittel gegen die Berufungsentscheidung einlegen kann, gilt § 356a der Strafprozessordnung entsprechend.

Zu § 55: Geändert durch G vom 26. 6. 1990 (BGBl I S. 1163), 16. 2. 1993 (BGBl I S. 239), 16. 12. 1997 (BGBl I S. 2942), 9. 12. 2004 (BGBl I S. 3220) und 17. 12. 2008 (BGBl I S. 2586).

§ 56 JGG Teilvollstreckung einer Einheitsstrafe

(1) 1Ist ein Angeklagter wegen mehrerer Straftaten zu einer Einheitsstrafe verurteilt worden, so kann das Rechtsmittelgericht vor der Hauptverhandlung das Urteil für einen Teil der Strafe als vollstreckbar erklären, wenn die Schuldfeststellungen bei einer Straftat oder bei mehreren Straftaten nicht beanstandet worden sind. 2Die Anordnung ist nur zulässig, wenn sie dem wohlverstandenen Interesse des Angeklagten entspricht. 3Der Teil der Strafe darf nicht über die Strafe hinausgehen, die einer Verurteilung wegen der Straftaten entspricht, bei denen die Schuldfeststellungen nicht beanstandet worden sind.

(2) Gegen den Beschluss ist sofortige Beschwerde zulässig.

§ 57 JGG Entscheidung über die Aussetzung

(1) 1Die Aussetzung der Jugendstrafe zur Bewährung wird im Urteil oder, solange der Strafvollzug noch nicht begonnen hat, nachträglich durch Beschluss angeordnet. 2Ist die Entscheidung über die Aussetzung nicht im Urteil vorbehalten worden, so ist für den nachträglichen Beschluss das Gericht zuständig, das in der Sache im ersten Rechtszug erkannt hat; die Staatsanwaltschaft und der Jugendliche sind zu hören.

(2) Hat das Gericht die Entscheidung über die Aussetzung nicht einem nachträglichen Beschluss vorbehalten oder die Aussetzung im Urteil oder in einem nachträglichen Beschluss abgelehnt, so ist ihre nachträgliche Anordnung nur zulässig, wenn seit Erlass des Urteils oder des Beschlusses Umstände hervorgetreten sind, die allein oder in Verbindung mit den bereits bekannten Umständen eine Aussetzung der Jugendstrafe zur Bewährung rechtfertigen.

(3) 1Kommen Weisungen oder Auflagen (§ 23) in Betracht, so ist der Jugendliche in geeigneten Fällen zu befragen, ob er Zusagen für seine künftige Lebensführung macht oder sich zu Leistungen erbietet, die der Genugtuung für das begangene Unrecht dienen. 2Kommt die Weisung in Betracht, sich einer heilerzieherischen Behandlung oder einer Entziehungskur zu unterziehen, so ist der Jugendliche, der das sechzehnte Lebensjahr vollendet hat, zu befragen, ob er hierzu seine Einwilligung gibt.

Zu § 57: Geändert durch G vom 4. 9. 2012 (BGBl I S. 1854).

§ 58 JGG Weitere Entscheidungen

(1) 1Entscheidungen, die infolge der Aussetzung erforderlich werden (§§ 22, 23, 24, 26, 26a), trifft der Richter durch Beschluss. 2Der Staatsanwalt, der Jugendliche und der Bewährungshelfer sind zu hören. 3Wenn eine Entscheidung nach § 26 oder die Verhängung von Jugendarrest in Betracht kommt, ist dem Jugendlichen Gelegenheit zur mündlichen Äußerung vor dem Richter zu geben. 4Der Beschluss ist zu begründen.

(2) Der Richter leitet auch die Vollstreckung der vorläufigen Maßnahmen nach § 453c der Strafprozessordnung.

(3) 1Zuständig ist der Richter, der die Aussetzung angeordnet hat. 2Er kann die Entscheidungen ganz oder teilweise dem Jugendrichter übertragen, in dessen Bezirk sich der Jugendliche aufhält. 3§ 42 Abs. 3 Satz 2 gilt entsprechend.

Zu § 58: Geändert durch G vom 5. 10. 1978 (BGBl I S. 1645) und 30. 8. 1990 (BGBl I S. 1853).

§ 59 JGG Anfechtung

(1) 1Gegen eine Entscheidung, durch welche die Aussetzung der Jugendstrafe angeordnet oder abgelehnt wird, ist, wenn sie für sich allein oder nur gemeinsam mit der Entscheidung über die Anordnung eines Jugendarrests nach § 16a angefochten wird, sofortige Beschwerde zulässig. 2Das Gleiche gilt, wenn ein Urteil nur deshalb angefochten wird, weil die Strafe nicht ausgesetzt worden ist.

(2) 1Gegen eine Entscheidung über die Dauer der Bewährungszeit (§ 22), die Dauer der Unterstellungszeit (§ 24), die erneute Anordnung der Unterstellung in der Bewährungszeit (§ 24 Abs. 2) und über Weisungen oder Auflagen (§ 23) ist Beschwerde zulässig. 2Sie kann nur darauf gestützt werden, dass die Bewährungs- oder die Unterstellungszeit nachträglich verlängert, die Unterstellung erneut angeordnet worden oder dass eine getroffene Anordnung gesetzwidrig ist.

(3) Gegen den Widerruf der Aussetzung der Jugendstrafe (§ 26 Abs. 1) ist sofortige Beschwerde zulässig.

(4) Der Beschluss über den Straferlass (§ 26a) ist nicht anfechtbar.

(5) Wird gegen ein Urteil eine zulässige Revision und gegen eine Entscheidung, die sich auf eine in dem Urteil angeordnete Aussetzung der Jugendstrafe zur Bewährung bezieht, Beschwerde eingelegt, so ist das Revisionsgericht auch zur Entscheidung über die Beschwerde zuständig.

Zu § 59: Geändert durch G vom 30. 8. 1990 (BGBl I S. 1853) und 4. 9. 2012 (BGBl I S. 1854).

§ 60 JGG Bewährungsplan

(1) 1Der Vorsitzende stellt die erteilten Weisungen und Auflagen in einem Bewährungsplan zusammen. 2Er händigt ihn dem Jugendlichen aus und belehrt ihn zugleich über die Bedeutung der Aussetzung, die Bewährungs- und Unterstellungszeit, die Weisungen und Auflagen sowie über die Möglichkeit des Widerrufs der Aussetzung. 3Zugleich ist ihm aufzugeben, jeden Wechsel seines Aufenthalts, Ausbildungs- oder Arbeitsplatzes während der Bewährungszeit anzuzeigen. 4Auch bei nachträglichen Änderungen des Bewährungsplans ist der Jugendliche über den wesentlichen Inhalt zu belehren.

(2) Der Name des Bewährungshelfers wird in den Bewährungsplan eingetragen.

(3) 1Der Jugendliche soll durch seine Unterschrift bestätigen, dass er den Bewährungsplan gelesen hat, und versprechen, dass er den Weisungen und Auflagen nachkommen will. 2Auch der Erziehungsberechtigte und der gesetzliche Vertreter sollen den Bewährungsplan unterzeichnen.

Zu § 60: Geändert durch G vom 30. 8. 1990 (BGBl I S. 1853).

§ 61 JGG Vorbehalt der nachträglichen Entscheidung über die Aussetzung

(1) Das Gericht kann im Urteil die Entscheidung über die Aussetzung der Jugendstrafe zur Bewährung ausdrücklich einem nachträglichen Beschluss vorbehalten, wenn

  1. 1.

    nach Erschöpfung der Ermittlungsmöglichkeiten die getroffenen Feststellungen noch nicht die in § 21 Absatz 1 Satz 1 vorausgesetzte Erwartung begründen können und

  2. 2.

    auf Grund von Ansätzen in der Lebensführung des Jugendlichen oder sonstiger bestimmter Umstände die Aussicht besteht, dass eine solche Erwartung in absehbarer Zeit (§ 61a Absatz 1) begründet sein wird.

(2) Ein entsprechender Vorbehalt kann auch ausgesprochen werden, wenn

  1. 1.

    in der Hauptverhandlung Umstände der in Absatz 1 Nummer 2 genannten Art hervorgetreten sind, die allein oder in Verbindung mit weiteren Umständen die in § 21 Absatz 1 Satz 1 vorausgesetzte Erwartung begründen könnten,

  2. 2.

    die Feststellungen, die sich auf die nach Nummer 1 bedeutsamen Umstände beziehen, aber weitere Ermittlungen verlangen und

  3. 3.

    die Unterbrechung oder Aussetzung der Hauptverhandlung zu erzieherisch nachteiligen oder unverhältnismäßigen Verzögerungen führen würde.

(3) 1Wird im Urteil der Vorbehalt ausgesprochen, gilt § 16a entsprechend. 2Der Vorbehalt ist in die Urteilsformel aufzunehmen. 3Die Urteilsgründe müssen die dafür bestimmenden Umstände anführen. 4Bei der Verkündung des Urteils ist der Jugendliche über die Bedeutung des Vorbehalts und seines Verhaltens in der Zeit bis zu der nachträglichen Entscheidung zu belehren.

Zu § 61: Eingefügt durch G vom 4. 9. 2012 (BGBl I S. 1854).

§ 61a JGG Frist und Zuständigkeit für die vorbehaltene Entscheidung

(1) 1Die vorbehaltene Entscheidung ergeht spätestens sechs Monate nach Eintritt der Rechtskraft des Urteils. 2Das Gericht kann mit dem Vorbehalt eine kürzere Höchstfrist festsetzen. 3Aus besonderen Gründen und mit dem Einverständnis des Verurteilten kann die Frist nach Satz 1 oder 2 durch Beschluss auf höchstens neun Monate seit Eintritt der Rechtskraft des Urteils verlängert werden.

(2) Zuständig für die vorbehaltene Entscheidung ist das Gericht, in dessen Urteil die zugrunde liegenden tatsächlichen Feststellungen letztmalig geprüft werden konnten.

Zu § 61a: Eingefügt durch G vom 4. 9. 2012 (BGBl I S. 1854).

§ 61b JGG Weitere Entscheidungen bei Vorbehalt der Entscheidung über die Aussetzung

(1) 1Das Gericht kann dem Jugendlichen für die Zeit zwischen Eintritt der Rechtskraft des Urteils und dem Ablauf der nach § 61a Absatz 1 maßgeblichen Frist Weisungen und Auflagen erteilen; die §§ 10, 15 Absatz 1 und 2, § 23 Absatz 1 Satz 1 bis 3, Absatz 2 gelten entsprechend. 2Das Gericht soll den Jugendlichen für diese Zeit der Aufsicht und Betreuung eines Bewährungshelfers unterstellen; darauf soll nur verzichtet werden, wenn ausreichende Betreuung und Überwachung durch die Jugendgerichtshilfe gewährleistet sind. 3Im Übrigen sind die §§ 24 und 25 entsprechend anzuwenden. 4Bewährungshilfe und Jugendgerichtshilfe arbeiten eng zusammen. 5Dabei dürfen sie wechselseitig auch personenbezogene Daten über den Verurteilten übermitteln, soweit dies für eine sachgemäße Erfüllung der Betreuungs- und Überwachungsaufgaben der jeweils anderen Stelle erforderlich ist. 6Für die Entscheidungen nach diesem Absatz gelten § 58 Absatz 1 Satz 1, 2 und 4, Absatz 3 Satz 1 und § 59 Absatz 2 und 5 entsprechend. 7Die Vorschriften des § 60 sind sinngemäß anzuwenden.

(2) Ergeben sich vor Ablauf der nach § 61a Absatz 1 maßgeblichen Frist hinreichende Gründe für die Annahme, dass eine Aussetzung der Jugendstrafe zur Bewährung abgelehnt wird, so gelten § 453c der Strafprozessordnung und § 58 Absatz 2 und 3 Satz 1 entsprechend.

(3) Wird die Jugendstrafe zur Bewährung ausgesetzt, so wird die Zeit vom Eintritt der Rechtskraft des Urteils, in dem die Aussetzung einer nachträglichen Entscheidung vorbehalten wurde, bis zum Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung über die Aussetzung auf die nach § 22 bestimmte Bewährungszeit angerechnet.

(4) 1Wird die Aussetzung abgelehnt, so kann das Gericht Leistungen, die der Jugendliche zur Erfüllung von Weisungen, Auflagen, Zusagen oder Anerbieten erbracht hat, auf die Jugendstrafe anrechnen. 2Das Gericht hat die Leistungen anzurechnen, wenn die Rechtsfolgen der Tat andernfalls das Maß der Schuld übersteigen würden. 3Im Hinblick auf Jugendarrest, der nach § 16a verhängt wurde (§ 61 Absatz 3 Satz 1), gilt § 26 Absatz 3 Satz 3 entsprechend.

Zu § 61b: Eingefügt durch G vom 4. 9. 2012 (BGBl I S. 1854).

§ 62 JGG Entscheidungen

(1) 1Entscheidungen nach den §§ 27 und 30 ergehen auf Grund einer Hauptverhandlung durch Urteil. 2Für die Entscheidung über die Aussetzung der Verhängung der Jugendstrafe gilt § 267 Abs. 3 Satz 4 der Strafprozessordnung sinngemäß.

(2) Mit Zustimmung des Staatsanwalts kann die Tilgung des Schuldspruchs nach Ablauf der Bewährungszeit auch ohne Hauptverhandlung durch Beschluss angeordnet werden.

(3) Ergibt eine während der Bewährungszeit durchgeführte Hauptverhandlung nicht, dass eine Jugendstrafe erforderlich ist (§ 30 Abs. 1), so ergeht der Beschluss, dass die Entscheidung über die Verhängung der Strafe ausgesetzt bleibt.

(4) Für die übrigen Entscheidungen, die infolge einer Aussetzung der Verhängung der Jugendstrafe erforderlich werden, gilt § 58 Abs. 1 Satz 1, 2 und 4 und Abs. 3 Satz 1 sinngemäß.

Zu § 62: Geändert durch G vom 5. 10. 1978 (BGBl I S. 1645) und 30. 8. 1990 (BGBl I S. 1853).

§ 63 JGG Anfechtung

(1) Ein Beschluss, durch den der Schuldspruch nach Ablauf der Bewährungszeit getilgt wird (§ 62 Abs. 2) oder die Entscheidung über die Verhängung der Jugendstrafe ausgesetzt bleibt (§ 62 Abs. 3), ist nicht anfechtbar.

(2) Im Übrigen gilt § 59 Abs. 2 und 5 sinngemäß.

§ 64 JGG Bewährungsplan

1§ 60 gilt sinngemäß. 2Der Jugendliche ist über die Bedeutung der Aussetzung, die Bewährungs- und Unterstellungszeit, die Weisungen und Auflagen sowie darüber zu belehren, dass er die Festsetzung einer Jugendstrafe zu erwarten habe, wenn er sich während der Bewährungs- und Unterstellungszeit schlecht führe.

Zu § 64: Geändert durch G vom 30. 8. 1990 (BGBl I S. 1853).

§ 65 JGG Nachträgliche Entscheidungen über Weisungen und Auflagen

(1) 1Nachträgliche Entscheidungen, die sich auf Weisungen (§ 11 Abs. 2, 3) oder Auflagen (§ 15 Abs. 3) beziehen, trifft der Richter des ersten Rechtszuges nach Anhören des Staatsanwalts und des Jugendlichen durch Beschluss. 2Soweit erforderlich, sind der Vertreter der Jugendgerichtshilfe, der nach § 10 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 bestellte Betreuungshelfer und der nach § 10 Abs. 1 Satz 3 Nr. 6 tätige Leiter eines sozialen Trainingskurses zu hören. 3Wenn die Verhängung von Jugendarrest in Betracht kommt, ist dem Jugendlichen Gelegenheit zur mündlichen Äußerung vor dem Richter zu geben. 4Der Richter kann das Verfahren an den Jugendrichter abgeben, in dessen Bezirk sich der Jugendliche aufhält, wenn dieser seinen Aufenthalt gewechselt hat. 5§ 42 Abs. 3 Satz 2 gilt entsprechend.

(2) 1Hat der Richter die Änderung von Weisungen abgelehnt, so ist der Beschluss nicht anfechtbar. 2Hat er Jugendarrest verhängt, so ist gegen den Beschluss sofortige Beschwerde zulässig. 3Diese hat aufschiebende Wirkung.

Zu § 65: Geändert durch G vom 30. 8. 1990 (BGBl I S. 1853).

§ 66 JGG Ergänzung rechtskräftiger Entscheidungen bei mehrfacher Verurteilung

(1) 1Ist die einheitliche Festsetzung von Maßnahmen oder Jugendstrafe (§ 31) unterblieben und sind die durch die rechtskräftigen Entscheidungen erkannten Erziehungsmaßregeln, Zuchtmittel und Strafen noch nicht vollständig ausgeführt, verbüßt oder sonst erledigt, so trifft der Richter eine solche Entscheidung nachträglich. 2Dies gilt nicht, soweit der Richter nach § 31 Abs. 3 von der Einbeziehung rechtskräftig abgeurteilter Straftaten abgesehen hatte.

(2) 1Die Entscheidung ergeht auf Grund einer Hauptverhandlung durch Urteil, wenn der Staatsanwalt es beantragt oder der Vorsitzende es für angemessen hält. 2Wird keine Hauptverhandlung durchgeführt, so entscheidet der Richter durch Beschluss. 3Für die Zuständigkeit und das Beschlussverfahren gilt dasselbe wie für die nachträgliche Bildung einer Gesamtstrafe nach den allgemeinen Vorschriften. 4Ist eine Jugendstrafe teilweise verbüßt, so ist der Richter zuständig, dem die Aufgaben des Vollstreckungsleiters obliegen.

§ 67 JGG Stellung der Erziehungsberechtigten und der gesetzlichen Vertreter

(1) Soweit der Beschuldigte ein Recht darauf hat, gehört zu werden oder Fragen und Anträge zu stellen, steht dieses Recht auch den Erziehungsberechtigten und den gesetzlichen Vertretern zu.

(2) Die Rechte der gesetzlichen Vertreter zur Wahl eines Verteidigers und zur Einlegung von Rechtsbehelfen stehen auch den Erziehungsberechtigten zu.

(3) 1Bei Untersuchungshandlungen, bei denen der Jugendliche ein Recht darauf hat, anwesend zu sein, namentlich bei seiner Vernehmung, ist den Erziehungsberechtigten und den gesetzlichen Vertretern die Anwesenheit gestattet, soweit

  1. 1.

    dies dem Wohl des Jugendlichen dient und

  2. 2.

    ihre Anwesenheit das Strafverfahren nicht beeinträchtigt.

2Die Voraussetzungen des Satzes 1 Nummer 1 und 2 sind in der Regel erfüllt, wenn keiner der in § 51 Absatz 2 genannten Ausschlussgründe und keine entsprechend § 177 des Gerichtsverfassungsgesetzes zu behandelnde Missachtung einer zur Aufrechterhaltung der Ordnung getroffenen Anordnung vorliegt. 3Ist kein Erziehungsberechtigter und kein gesetzlicher Vertreter anwesend, weil diesen die Anwesenheit versagt wird oder weil binnen angemessener Frist kein Erziehungsberechtigter und kein gesetzlicher Vertreter erreicht werden konnte, so ist einer anderen für den Schutz der Interessen des Jugendlichen geeigneten volljährigen Person die Anwesenheit zu gestatten, wenn die Voraussetzungen des Satzes 1 Nummer 1 und 2 im Hinblick auf diese Person erfüllt sind.

(4) 1Das Jugendgericht kann die Rechte nach den Absätzen 1 bis 3 Erziehungsberechtigten und gesetzlichen Vertretern entziehen, soweit sie verdächtig sind, an der Verfehlung des Beschuldigten beteiligt zu sein, oder soweit sie wegen einer Beteiligung verurteilt sind. 2Liegen die Voraussetzungen des Satzes 1 bei einem Erziehungsberechtigten oder einem gesetzlichen Vertreter vor, so kann der Richter die Entziehung gegen beide aussprechen, wenn ein Missbrauch der Rechte zu befürchten ist. 3Stehen den Erziehungsberechtigten und den gesetzlichen Vertretern ihre Rechte nicht mehr zu, so bestellt das Familiengericht einen Pfleger zur Wahrnehmung der Interessen des Beschuldigten im anhängigen Strafverfahren. 4Die Hauptverhandlung wird bis zur Bestellung des Pflegers ausgesetzt.

(5) 1Sind mehrere erziehungsberechtigt, so kann jeder von ihnen die in diesem Gesetz bestimmten Rechte der Erziehungsberechtigten ausüben. 2In der Hauptverhandlung oder in einer sonstigen gerichtlichen Verhandlung werden abwesende Erziehungsberechtigte als durch anwesende vertreten angesehen. 3Sind Mitteilungen oder Ladungen vorgeschrieben, so genügt es, wenn sie an eine erziehungsberechtigte Person gerichtet werden.

Zu § 67: Geändert durch G vom 17. 12. 2008 (BGBl I S. 2586) und 9. 12. 2019 (BGBl I S. 2146).

§ 67a JGG Unterrichtung der Erziehungsberechtigten und der gesetzlichen Vertreter

(1) Ist eine Mitteilung an den Beschuldigten vorgeschrieben, so soll die entsprechende Mitteilung an die Erziehungsberechtigten und die gesetzlichen Vertreter gerichtet werden.

(2) 1Die Informationen, die der Jugendliche nach § 70a zu erhalten hat, sind jeweils so bald wie möglich auch den Erziehungsberechtigten und den gesetzlichen Vertretern zu erteilen. 2Wird dem Jugendlichen einstweilig die Freiheit entzogen, sind die Erziehungsberechtigten und die gesetzlichen Vertreter so bald wie möglich über den Freiheitsentzug und die Gründe hierfür zu unterrichten.

(3) Mitteilungen und Informationen nach den Absätzen 1 und 2 an Erziehungsberechtigte und gesetzliche Vertreter unterbleiben, soweit

  1. 1.

    auf Grund der Unterrichtung eine erhebliche Beeinträchtigung des Wohls des Jugendlichen zu besorgen wäre, insbesondere bei einer Gefährdung des Lebens, des Leibes oder der Freiheit des Jugendlichen oder bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 67 Absatz 4 Satz 1 oder 2,

  2. 2.

    auf Grund der Unterrichtung der Zweck der Untersuchung erheblich gefährdet würde oder

  3. 3.

    Erziehungsberechtigte oder gesetzliche Vertreter binnen angemessener Frist nicht erreicht werden können.

(4) 1Werden nach Absatz 3 weder Erziehungsberechtigte noch gesetzliche Vertreter unterrichtet, so ist eine andere für den Schutz der Interessen des Jugendlichen geeignete volljährige Person zu unterrichten. 2Dem Jugendlichen soll zuvor Gelegenheit gegeben werden, eine volljährige Person seines Vertrauens zu bezeichnen. 3Eine andere geeignete volljährige Person kann auch der für die Betreuung des Jugendlichen in dem Jugendstrafverfahren zuständige Vertreter der Jugendgerichtshilfe sein.

(5) 1Liegen Gründe, aus denen Mitteilungen und Informationen nach Absatz 3 unterbleiben können, nicht mehr vor, so sind im weiteren Verfahren vorgeschriebene Mitteilungen und Informationen auch wieder an die betroffenen Erziehungsberechtigten und gesetzlichen Vertreter zu richten. 2Außerdem erhalten sie in diesem Fall nachträglich auch solche Mitteilungen und Informationen, die der Jugendliche nach § 70a bereits erhalten hat, soweit diese im Laufe des Verfahrens von Bedeutung bleiben oder sobald sie Bedeutung erlangen.

(6) Für den dauerhaften Entzug der Rechte nach den Absätzen 1 und 2 findet das Verfahren nach § 67 Absatz 4 entsprechende Anwendung.

Zu § 67a: Neugefasst durch G vom 9. 12. 2019 (BGBl I S. 2146).

§ 68 JGG Notwendige Verteidigung

Ein Fall der notwendigen Verteidigung liegt vor, wenn

  1. 1.

    im Verfahren gegen einen Erwachsenen ein Fall der notwendigen Verteidigung vorliegen würde,

  2. 2.

    den Erziehungsberechtigten und den gesetzlichen Vertretern ihre Rechte nach diesem Gesetz entzogen sind,

  3. 3.

    die Erziehungsberechtigten und die gesetzlichen Vertreter nach § 51 Abs. 2 von der Verhandlung ausgeschlossen worden sind und die Beeinträchtigung in der Wahrnehmung ihrer Rechte durch eine nachträgliche Unterrichtung (§ 51 Abs. 4 Satz 2) oder die Anwesenheit einer anderen geeigneten volljährigen Person nicht hinreichend ausgeglichen werden kann,

  4. 4.

    zur Vorbereitung eines Gutachtens über den Entwicklungsstand des Beschuldigten (§ 73) seine Unterbringung in einer Anstalt in Frage kommt oder

  5. 5.

    die Verhängung einer Jugendstrafe, die Aussetzung der Verhängung einer Jugendstrafe oder die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder in einer Entziehungsanstalt zu erwarten ist.

Zu § 68: Geändert durch G vom 30. 8. 1990 (BGBl I S. 1853), 22. 12. 2006 (BGBl I S. 3416) und 9. 12. 2019 (BGBl I S. 2146).

§ 68a JGG Zeitpunkt der Bestellung eines Pflichtverteidigers

(1) 1In den Fällen der notwendigen Verteidigung wird dem Jugendlichen, der noch keinen Verteidiger hat, ein Pflichtverteidiger spätestens bestellt, bevor eine Vernehmung des Jugendlichen oder eine Gegenüberstellung mit ihm durchgeführt wird. 2Dies gilt nicht, wenn ein Fall der notwendigen Verteidigung allein deshalb vorliegt, weil dem Jugendlichen ein Verbrechen zur Last gelegt wird, ein Absehen von der Strafverfolgung nach § 45 Absatz 2 oder 3 zu erwarten ist und die Bestellung eines Pflichtverteidigers zu dem in Satz 1 genannten Zeitpunkt auch unter Berücksichtigung des Wohls des Jugendlichen und der Umstände des Einzelfalls unverhältnismäßig wäre.

Zu § 68a: Eingefügt durch G vom 9. 12. 2019 (BGBl I S. 2146).

§ 68b JGG Vernehmungen und Gegenüberstellungen vor der Bestellung eines Pflichtverteidigers

1Abweichend von § 68a Absatz 1 dürfen im Vorverfahren Vernehmungen des Jugendlichen oder Gegenüberstellungen mit ihm vor der Bestellung eines Pflichtverteidigers durchgeführt werden, soweit dies auch unter Berücksichtigung des Wohls des Jugendlichen

  1. 1.

    zur Abwehr schwerwiegender nachteiliger Auswirkungen auf Leib oder Leben oder die Freiheit einer Person dringend erforderlich ist oder

  2. 2.

    ein sofortiges Handeln der Strafverfolgungsbehörden zwingend geboten ist, um eine erhebliche Gefährdung eines sich auf eine schwere Straftat beziehenden Strafverfahrens abzuwenden.

1Das Recht des Jugendlichen, jederzeit, auch schon vor der Vernehmung, einen von ihm zu wählenden Verteidiger zu befragen, bleibt unberührt.

Zu § 68b: Eingefügt durch G vom 9. 12. 2019 (BGBl I S. 2146).

§ 69 JGG Beistand

(1) Der Vorsitzende kann dem Beschuldigten in jeder Lage des Verfahrens einen Beistand bestellen, wenn kein Fall der notwendigen Verteidigung vorliegt.

(2) Der Erziehungsberechtigte und der gesetzliche Vertreter dürfen nicht zum Beistand bestellt werden, wenn hierdurch ein Nachteil für die Erziehung zu erwarten wäre.

(3) 1Dem Beistand kann Akteneinsicht gewährt werden. 2Im Übrigen hat er in der Hauptverhandlung die Rechte eines Verteidigers. 3Zu einer Vertretung des Angeklagten ist er nicht befugt.

Zu § 69: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).

§ 70 JGG Mitteilungen an amtliche Stellen

(1) 1Die Jugendgerichtshilfe, in geeigneten Fällen auch das Familiengericht und die Schule werden von der Einleitung und dem Ausgang des Verfahrens unterrichtet. 2Sie benachrichtigen die Jugendstaatsanwaltschaft, wenn ihnen bekannt wird, dass gegen den Beschuldigten noch ein anderes Strafverfahren anhängig ist. 3Das Familiengericht teilt der Jugendstaatsanwaltschaft ferner familiengerichtliche Maßnahmen sowie ihre Änderung und Aufhebung mit, soweit nicht für das Familiengericht erkennbar ist, dass schutzwürdige Interessen des Beschuldigten oder einer sonst von der Mitteilung betroffenen Person oder Stelle an dem Ausschluss der Übermittlung überwiegen.

(2) 1Von der Einleitung des Verfahrens ist die Jugendgerichtshilfe spätestens zum Zeitpunkt der Ladung des Jugendlichen zu seiner ersten Vernehmung als Beschuldigter zu unterrichten. 2Im Fall einer ersten Beschuldigtenvernehmung ohne vorherige Ladung muss die Unterrichtung spätestens unverzüglich nach der Vernehmung erfolgen.

(3) 1Im Fall des einstweiligen Entzugs der Freiheit des Jugendlichen teilen die den Freiheitsentzug durchführenden Stellen der Jugendstaatsanwaltschaft und dem Jugendgericht von Amts wegen Erkenntnisse mit, die sie auf Grund einer medizinischen Untersuchung erlangt haben, soweit diese Anlass zu Zweifeln geben, ob der Jugendliche verhandlungsfähig oder bestimmten Untersuchungshandlungen oder Maßnahmen gewachsen ist. 2Im Übrigen bleibt § 114e der Strafprozessordnung unberührt.

Zu § 70: Geändert durch G vom 30. 8. 1990 (BGBl I S. 1853), 18. 6. 1997 (BGBl I S. 1430), 16. 12. 1997 (BGBl I S. 2942), 17. 12. 2008 (BGBl I S. 2586) und 9. 12. 2019 (BGBl I S. 2146).

§ 70a JGG Unterrichtung des Jugendlichen

(1) 1Wenn der Jugendliche davon in Kenntnis gesetzt wird, dass er Beschuldigter ist, so ist er unverzüglich über die Grundzüge eines Jugendstrafverfahrens zu informieren. 2Über die nächsten anstehenden Schritte in dem gegen ihn gerichteten Verfahren wird er ebenfalls unverzüglich informiert, sofern der Zweck der Untersuchung dadurch nicht gefährdet wird. 3Außerdem ist der Jugendliche unverzüglich darüber zu unterrichten, dass

  1. 1.

    nach Maßgabe des § 67a die Erziehungsberechtigten und die gesetzlichen Vertreter oder eine andere geeignete volljährige Person zu informieren sind,

  2. 2.

    er in den Fällen notwendiger Verteidigung (§ 68) nach Maßgabe des § 141 der Strafprozessordnung und des § 68a die Mitwirkung eines Verteidigers und nach Maßgabe des § 70c Absatz 4 die Verschiebung oder Unterbrechung seiner Vernehmung für eine angemessene Zeit verlangen kann,

  3. 3.

    nach Maßgabe des § 48 die Verhandlung vor dem erkennenden Gericht grundsätzlich nicht öffentlich ist und dass er bei einer ausnahmsweise öffentlichen Hauptverhandlung unter bestimmten Voraussetzungen den Ausschluss der Öffentlichkeit oder einzelner Personen beantragen kann,

  4. 4.

    er nach § 70c Absatz 2 Satz 4 dieses Gesetzes in Verbindung mit § 58a Absatz 2 Satz 6 und Absatz 3 Satz 1 der Strafprozessordnung der Überlassung einer Kopie der Aufzeichnung seiner Vernehmung in Bild und Ton an die zur Akteneinsicht Berechtigten widersprechen kann und dass die Überlassung der Aufzeichnung oder die Herausgabe von Kopien an andere Stellen seiner Einwilligung bedarf,

  5. 5.

    er nach Maßgabe des § 67 Absatz 3 bei Untersuchungshandlungen von seinen Erziehungsberechtigten und seinen gesetzlichen Vertretern oder einer anderen geeigneten volljährigen Person begleitet werden kann,

  6. 6.

    er wegen einer mutmaßlichen Verletzung seiner Rechte durch eine der beteiligten Behörden oder durch das Gericht eine Überprüfung der betroffenen Maßnahmen und Entscheidungen verlangen kann.

(2) Soweit dies im Verfahren von Bedeutung ist oder sobald dies im Verfahren Bedeutung erlangt, ist der Jugendliche außerdem so früh wie möglich über Folgendes zu informieren:

  1. 1.

    die Berücksichtigung seiner persönlichen Verhältnisse und Bedürfnisse im Verfahren nach Maßgabe der §§ 38, 43 und 46a,

  2. 2.

    das Recht auf medizinische Untersuchung, das ihm nach Maßgabe des Landesrechts oder des Rechts der Polizeien des Bundes im Fall des einstweiligen Entzugs der Freiheit zusteht, sowie über das Recht auf medizinische Unterstützung, sofern sich ergibt, dass eine solche während dieses Freiheitsentzugs erforderlich ist,

  3. 3.

    die Geltung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes im Fall des einstweiligen Entzugs der Freiheit, namentlich

    1. a)

      des Vorrangs anderer Maßnahmen, durch die der Zweck des Freiheitsentzugs erreicht werden kann,

    2. b)

      der Begrenzung des Freiheitsentzugs auf den kürzesten angemessenen Zeitraum und

    3. c)

      der Berücksichtigung der besonderen Belastungen durch den Freiheitsentzug im Hinblick auf sein Alter und seinen Entwicklungsstand sowie der Berücksichtigung einer anderen besonderen Schutzwürdigkeit,

  4. 4.

    die zur Haftvermeidung in geeigneten Fällen generell in Betracht kommenden anderen Maßnahmen,

  5. 5.

    die vorgeschriebenen Überprüfungen von Amts wegen in Haftsachen,

  6. 6.

    das Recht auf Anwesenheit der Erziehungsberechtigten und der gesetzlichen Vertreter oder einer anderen geeigneten volljährigen Person in der Hauptverhandlung,

  7. 7.

    sein Recht auf und seine Pflicht zur Anwesenheit in der Hauptverhandlung nach Maßgabe des § 50 Absatz 1 und des § 51 Absatz 1.

(3) Wird Untersuchungshaft gegen den Jugendlichen vollstreckt, so ist er außerdem darüber zu informieren, dass

  1. 1.

    nach Maßgabe des § 89c seine Unterbringung getrennt von Erwachsenen zu erfolgen hat,

  2. 2.

    nach Maßgabe der Vollzugsgesetze der Länder

    1. a)

      Fürsorge für seine gesundheitliche, körperliche und geistige Entwicklung zu leisten ist,

    2. b)

      sein Recht auf Erziehung und Ausbildung zu gewährleisten ist,

    3. c)

      sein Recht auf Familienleben und dabei die Möglichkeit, seine Erziehungsberechtigten und seine gesetzlichen Vertreter zu treffen, zu gewährleisten ist,

    4. d)

      ihm der Zugang zu Programmen und Maßnahmen zu gewährleisten ist, die seine Entwicklung und Wiedereingliederung fördern, und

    5. e)

      ihm die Religions- und Weltanschauungsfreiheit zu gewährleisten ist.

(4) Im Fall eines anderen einstweiligen Entzugs der Freiheit als der Untersuchungshaft ist der Jugendliche über seine dafür geltenden Rechte entsprechend Absatz 3 Nummer 2 zu informieren, im Fall einer polizeilichen Ingewahrsamnahme auch über sein Recht auf die von Erwachsenen getrennte Unterbringung nach den dafür maßgeblichen Vorschriften.

(5) § 70b dieses Gesetzes und § 168b Absatz 3 der Strafprozessordnung gelten entsprechend.

(6) Sofern einem verhafteten Jugendlichen eine schriftliche Belehrung nach § 114b der Strafprozessordnung ausgehändigt wird, muss diese auch die zusätzlichen Informationen nach diesem Paragrafen enthalten.

(7) Sonstige Informations- und Belehrungspflichten bleiben von den Bestimmungen dieses Paragrafen unberührt.

Zu § 70a: Neugefasst durch G vom 9. 12. 2019 (BGBl I S. 2146).

§ 70b JGG Belehrungen

(1) 1Vorgeschriebene Belehrungen des Jugendlichen müssen in einer Weise erfolgen, die seinem Alter und seinem Entwicklungs- und Bildungsstand entspricht. 2Sie sind auch an seine anwesenden Erziehungsberechtigten und gesetzlichen Vertreter zu richten und müssen dabei in einer Weise erfolgen, die es diesen ermöglicht, ihrer Verantwortung im Hinblick auf den Gegenstand der Belehrung gerecht zu werden. 3Sind Erziehungsberechtigte und gesetzliche Vertreter bei der Belehrung des Jugendlichen über die Bedeutung vom Gericht angeordneter Rechtsfolgen nicht anwesend, muss ihnen die Belehrung darüber schriftlich erteilt werden.

(2) Sind bei einer Belehrung über die Bedeutung der Aussetzung einer Jugendstrafe zur Bewährung oder über die Bedeutung des Vorbehalts einer diesbezüglichen nachträglichen Entscheidung auch jugendliche oder heranwachsende Mitangeklagte anwesend, die nur zu Erziehungsmaßregeln oder Zuchtmitteln verurteilt werden, soll die Belehrung auch ihnen ein Verständnis von der Bedeutung der Entscheidung vermitteln.

Zu § 70b: Eingefügt durch G vom 9. 12. 2019 (BGBl I S. 2146).

§ 70c JGG Vernehmung des Beschuldigten

(1) Die Vernehmung des Beschuldigten ist in einer Art und Weise durchzuführen, die seinem Alter und seinem Entwicklungs- und Bildungsstand Rechnung trägt.

(2) 1Außerhalb der Hauptverhandlung kann die Vernehmung in Bild und Ton aufgezeichnet werden. 2Andere als richterliche Vernehmungen sind in Bild und Ton aufzuzeichnen, wenn zum Zeitpunkt der Vernehmung die Mitwirkung eines Verteidigers notwendig ist, ein Verteidiger aber nicht anwesend ist. 3 Im Übrigen bleibt § 136 Absatz 4 Satz 2 der Strafprozessordnung, auch in Verbindung mit § 163a Absatz 3 Satz 2 oder Absatz 4 Satz 2 der Strafprozessordnung, unberührt.  4Wird die Vernehmung in Bild und Ton aufgezeichnet, gilt § 58a Absatz 2 und 3 der Strafprozessordnung entsprechend.

(3) 1Eine Aufzeichnung in Bild und Ton nach Absatz 2 lässt die Vorschriften der Strafprozessordnung über die Protokollierung von Untersuchungshandlungen unberührt. 2Wird eine Vernehmung des Beschuldigten außerhalb der Hauptverhandlung nicht in Bild und Ton aufgezeichnet, ist über sie stets ein Protokoll aufzunehmen.

(4) 1Ist oder wird die Mitwirkung eines Verteidigers zum Zeitpunkt einer Vernehmung des Beschuldigten oder einer Gegenüberstellung (§ 58 Absatz 2 der Strafprozessordnung) notwendig, ist diese für eine angemessene Zeit zu verschieben oder zu unterbrechen, wenn ein Verteidiger nicht anwesend ist und kein Fall des § 68b vorliegt. 2Satz 1 gilt nicht, wenn der Verteidiger ausdrücklich auf seine Anwesenheit verzichtet hat.

Zu § 70c: Eingefügt durch G vom 9. 12. 2019 (BGBl I S. 2146).

§ 71 JGG Vorläufige Anordnungen über die Erziehung

(1) Bis zur Rechtskraft des Urteils kann der Richter vorläufige Anordnungen über die Erziehung des Jugendlichen treffen oder die Gewährung von Leistungen nach dem Achten Buch Sozialgesetzbuch anregen.

(2) 1Der Richter kann die einstweilige Unterbringung in einem geeigneten Heim der Jugendhilfe anordnen, wenn dies auch im Hinblick auf die zu erwartenden Maßnahmen geboten ist, um den Jugendlichen vor einer weiteren Gefährdung seiner Entwicklung, insbesondere vor der Begehung neuer Straftaten, zu bewahren. 2Für die einstweilige Unterbringung gelten die §§ 114 bis 115a, 117 bis 118b, 120, 125 und 126 der Strafprozessordnung sinngemäß. 3Die Ausführung der einstweiligen Unterbringung richtet sich nach den für das Heim der Jugendhilfe geltenden Regelungen.

Zu § 71: Geändert durch G vom 26. 6. 1990 (BGBl I S. 1163) und 30. 8. 1990 (BGBl I S. 1853).

§ 72 JGG Untersuchungshaft

(1) 1Untersuchungshaft darf nur verhängt und vollstreckt werden, wenn ihr Zweck nicht durch eine vorläufige Anordnung über die Erziehung oder durch andere Maßnahmen erreicht werden kann. 2Bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit (§ 112 Abs. 1 Satz 2 der Strafprozessordnung) sind auch die besonderen Belastungen des Vollzuges für Jugendliche zu berücksichtigen. 3Wird Untersuchungshaft verhängt, so sind im Haftbefehl die Gründe anzuführen, aus denen sich ergibt, dass andere Maßnahmen, insbesondere die einstweilige Unterbringung in einem Heim der Jugendhilfe, nicht ausreichen und die Untersuchungshaft nicht unverhältnismäßig ist.

(2) Solange der Jugendliche das sechzehnte Lebensjahr noch nicht vollendet hat, ist die Verhängung von Untersuchungshaft wegen Fluchtgefahr nur zulässig, wenn er

  1. 1.
    sich dem Verfahren bereits entzogen hatte oder Anstalten zur Flucht getroffen hat oder
  2. 2.
    im Geltungsbereich dieses Gesetzes keinen festen Wohnsitz oder Aufenthalt hat.

(3) Über die Vollstreckung eines Haftbefehls und über die Maßnahmen zur Abwendung seiner Vollstreckung entscheidet der Richter, der den Haftbefehl erlassen hat, in dringenden Fällen der Jugendrichter, in dessen Bezirk die Untersuchungshaft vollzogen werden müsste.

(4) 1Unter denselben Voraussetzungen, unter denen ein Haftbefehl erlassen werden kann, kann auch die einstweilige Unterbringung in einem Heim der Jugendhilfe (§ 71 Abs. 2) angeordnet werden. 2In diesem Falle kann der Richter den Unterbringungsbefehl nachträglich durch einen Haftbefehl ersetzen, wenn sich dies als notwendig erweist.

(5) Befindet sich ein Jugendlicher in Untersuchungshaft, so ist das Verfahren mit besonderer Beschleunigung durchzuführen.

(6) Die richterlichen Entscheidungen, welche die Untersuchungshaft betreffen, kann der zuständige Richter aus wichtigen Gründen sämtlich oder zum Teil einem anderen Jugendrichter übertragen.

Zu § 72: Geändert durch G vom 30. 8. 1990 (BGBl I S. 1853).

§ 72a JGG Heranziehung der Jugendgerichtshilfe in Haftsachen

1Die Jugendgerichtshilfe ist unverzüglich von der Vollstreckung eines Haftbefehls zu unterrichten; ihr soll bereits der Erlass eines Haftbefehls mitgeteilt werden. 2Von der vorläufigen Festnahme eines Jugendlichen ist die Jugendgerichtshilfe zu unterrichten, wenn nach dem Stand der Ermittlungen zu erwarten ist, dass der Jugendliche gemäß § 128 der Strafprozessordnung dem Richter vorgeführt wird.

Zu § 72a: Eingefügt durch G vom 30. 8. 1990 (BGBl I S. 1853).

§ 72b JGG Verkehr mit Vertretern der Jugendgerichtshilfe, dem Betreuungshelfer und dem Erziehungsbeistand

1Befindet sich ein Jugendlicher in Untersuchungshaft, so ist auch den Vertretern der Jugendgerichtshilfe der Verkehr mit dem Beschuldigten in demselben Umfang wie einem Verteidiger gestattet. 2Entsprechendes gilt, wenn der Beschuldigte der Betreuung und Aufsicht eines Betreuungshelfers untersteht oder für ihn ein Erziehungsbeistand bestellt ist, für den Helfer oder den Erziehungsbeistand.

Zu § 72b: Eingefügt durch G vom 29. 7. 2009 (BGBl I S. 2274).

§ 73 JGG Unterbringung zur Beobachtung

(1) 1Zur Vorbereitung eines Gutachtens über den Entwicklungsstand des Beschuldigten kann der Richter nach Anhören eines Sachverständigen und des Verteidigers anordnen, dass der Beschuldigte in eine zur Untersuchung Jugendlicher geeignete Anstalt gebracht und dort beobachtet wird. 2Im vorbereitenden Verfahren entscheidet der Richter, der für die Eröffnung des Hauptverfahrens zuständig wäre.

(2) 1Gegen den Beschluss ist sofortige Beschwerde zulässig. 2Sie hat aufschiebende Wirkung.

(3) Die Verwahrung in der Anstalt darf die Dauer von sechs Wochen nicht überschreiten.

Zu § 73: Geändert durch G vom 30. 8. 1990 (BGBl I S. 1853).

§ 74 JGG Kosten und Auslagen

Im Verfahren gegen einen Jugendlichen kann davon abgesehen werden, dem Angeklagten Kosten und Auslagen aufzuerlegen.

§ 75 (weggefallen)

§ 75 JGG

(weggefallen)

§ 76 JGG Voraussetzungen des vereinfachten Jugendverfahrens

1Der Staatsanwalt kann bei dem Jugendrichter schriftlich oder mündlich beantragen, im vereinfachten Jugendverfahren zu entscheiden, wenn zu erwarten ist, dass der Jugendrichter ausschließlich Weisungen erteilen, Hilfe zur Erziehung im Sinne des § 12 Nr. 1 anordnen, Zuchtmittel verhängen, auf ein Fahrverbot erkennen, die Fahrerlaubnis entziehen und eine Sperre von nicht mehr als zwei Jahren festsetzen oder die Einziehung aussprechen wird. 2Der Antrag des Staatsanwalts steht der Anklage gleich.

Zu § 76: Geändert durch G vom 26. 6. 1990 (BGBl I S. 1163), 30. 8. 1990 (BGBl I S. 1853) und 13. 4. 2017 (BGBl I S. 872).

§ 77 JGG Ablehnung des Antrags

(1) 1Der Jugendrichter lehnt die Entscheidung im vereinfachten Verfahren ab, wenn sich die Sache hierzu nicht eignet, namentlich wenn die Anordnung von Hilfe zur Erziehung im Sinne des § 12 Nr. 2 oder die Verhängung von Jugendstrafe wahrscheinlich oder eine umfangreiche Beweisaufnahme erforderlich ist. 2Der Beschluss kann bis zur Verkündung des Urteils ergehen. 3Er ist nicht anfechtbar.

(2) Lehnt der Jugendrichter die Entscheidung im vereinfachten Verfahren ab, so reicht der Staatsanwalt eine Anklageschrift ein.

Zu § 77: Geändert durch G vom 26. 6. 1990 (BGBl I S. 1163).

§ 78 JGG Verfahren und Entscheidung

(1) 1Der Jugendrichter entscheidet im vereinfachten Jugendverfahren auf Grund einer mündlichen Verhandlung durch Urteil. 2Er darf auf Hilfe zur Erziehung im Sinne des § 12 Nr. 2, Jugendstrafe oder Unterbringung in einer Entziehungsanstalt nicht erkennen.

(2) 1Der Staatsanwalt ist nicht verpflichtet, an der Verhandlung teilzunehmen. 2Nimmt er nicht teil, so bedarf es seiner Zustimmung zu einer Einstellung des Verfahrens in der Verhandlung oder zur Durchführung der Verhandlung in Abwesenheit des Angeklagten nicht.

(3) 1Zur Vereinfachung, Beschleunigung und jugendgemäßen Gestaltung des Verfahrens darf von Verfahrensvorschriften abgewichen werden, soweit dadurch die Erforschung der Wahrheit nicht beeinträchtigt wird. 2Die Vorschriften über die Anwesenheit des Angeklagten (§ 50), die Stellung der Erziehungsberechtigten und der gesetzlichen Vertreter und deren Unterrichtung (§§ 67, 67a), die Mitteilungen an amtliche Stellen (§ 70) und die Unterrichtung des Jugendlichen (§ 70a) müssen beachtet werden. 3Bleibt der Beschuldigte der mündlichen Verhandlung fern und ist sein Fernbleiben nicht genügend entschuldigt, so kann die Vorführung angeordnet werden, wenn dies mit der Ladung angedroht worden ist.

Zu § 78: Geändert durch G vom 26. 6. 1990 (BGBl I S. 1163), 22. 12. 2006 (BGBl I S. 3416), 27. 8. 2017 (BGBl I S. 3295) und 9. 12. 2019 (BGBl I S. 2146).

§ 79 JGG Strafbefehl und beschleunigtes Verfahren

(1) Gegen einen Jugendlichen darf kein Strafbefehl erlassen werden.

(2) Das beschleunigte Verfahren des allgemeinen Verfahrensrechts ist unzulässig.

§ 80 JGG Privatklage und Nebenklage

(1) 1Gegen einen Jugendlichen kann Privatklage nicht erhoben werden. 2Eine Verfehlung, die nach den allgemeinen Vorschriften durch Privatklage verfolgt werden kann, verfolgt der Staatsanwalt auch dann, wenn Gründe der Erziehung oder ein berechtigtes Interesse des Verletzten, das dem Erziehungszweck nicht entgegensteht, es erfordern.

(2) 1Gegen einen jugendlichen Privatkläger ist Widerklage zulässig. 2Auf Jugendstrafe darf nicht erkannt werden.

(3) 1Der erhobenen öffentlichen Klage kann sich als Nebenkläger nur anschließen, wer verletzt worden ist

  1. 1.

    durch ein Verbrechen gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit oder die sexuelle Selbstbestimmung oder nach § 239 Absatz 3, § 239a oder § 239b des Strafgesetzbuches, durch welches das Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt oder einer solchen Gefahr ausgesetzt worden ist,

  2. 2.

    durch einen besonders schweren Fall eines Vergehens nach § 177 Absatz 6 des Strafgesetzbuches, durch welches das Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt oder einer solchen Gefahr ausgesetzt worden ist, oder

  3. 3.

    durch ein Verbrechen nach § 251 des Strafgesetzbuches, auch in Verbindung mit § 252 oder § 255 des Strafgesetzbuches.

2Im Übrigen gelten § 395 Absatz 2 Nummer 1, Absatz 4 und 5 und §§ 396 bis 402 der Strafprozessordnung entsprechend.

Zu § 80: Geändert durch G vom 22. 12. 2006 (BGBl I S. 3416), 29. 7. 2009 (BGBl I S. 2280) und 10. 12. 2019 (BGBl I S. 2121).

§ 81 JGG Adhäsionsverfahren

Die Vorschriften der Strafprozessordnung über das Adhäsionsverfahren (§§ 403 bis 406c der Strafprozessordnung) werden im Verfahren gegen einen Jugendlichen nicht angewendet.

Zu § 81: Geändert durch G vom 25. 6. 2021 (BGBl I S. 2099).

§ 81a JGG Verfahren und Entscheidung

Für das Verfahren und die Entscheidung über die Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung gelten § 275a der Strafprozessordnung und die §§ 74f und 120a des Gerichtsverfassungsgesetzes sinngemäß.

Zu § 81a: Eingefügt durch G vom 22. 12. 2010 (BGBl I S. 2300), geändert durch G vom 5. 12. 2012 (BGBl I S. 2425).

§ 82 JGG Vollstreckungsleiter

(1) 1Vollstreckungsleiter ist der Jugendrichter. 2Er nimmt auch die Aufgaben wahr, welche die Strafprozessordnung der Strafvollstreckungskammer zuweist.

(2) Soweit der Richter Hilfe zur Erziehung im Sinne des § 12 angeordnet hat, richtet sich die weitere Zuständigkeit nach den Vorschriften des Achten Buches Sozialgesetzbuch.

(3) In den Fällen des § 7 Abs. 2 und 4 richten sich die Vollstreckung der Unterbringung und die Zuständigkeit hierfür nach den Vorschriften der Strafprozessordnung, wenn der Betroffene das einundzwanzigste Lebensjahr vollendet hat.

Zu § 82: Geändert durch G vom 26. 6. 1990 (BGBl I S. 1163), 8. 7. 2008 (BGBl I S. 1212) und 5. 12. 2012 (BGBl I S. 2425).

§ 83 JGG Entscheidungen im Vollstreckungsverfahren

(1) Die Entscheidungen des Vollstreckungsleiters nach den §§ 86 bis 89a und 89b Abs. 2 sowie nach den §§ 462a und 463 der Strafprozessordnung sind jugendrichterliche Entscheidungen.

(2) Für die bei der Vollstreckung notwendig werdenden gerichtlichen Entscheidungen gegen eine vom Vollstreckungsleiter getroffene Anordnung ist die Jugendkammer in den Fällen zuständig, in denen

  1. 1.
    der Vollstreckungsleiter selbst oder unter seinem Vorsitz das Jugendschöffengericht im ersten Rechtszug erkannt hat,
  2. 2.
    der Vollstreckungsleiter in Wahrnehmung der Aufgaben der Strafvollstreckungskammer über seine eigene Anordnung zu entscheiden hätte.

(3) 1Die Entscheidungen nach den Absätzen 1 und 2 können, soweit nichts anderes bestimmt ist, mit sofortiger Beschwerde angefochten werden. 2Die §§ 67 bis 69 gelten sinngemäß.

Zu § 83: Geändert durch G vom 30. 8. 1990 (BGBl I S. 1853), 13. 12. 2007 (BGBl I S. 2894) und 29. 7. 2009 (BGBl I S. 2274).

§ 84 JGG Örtliche Zuständigkeit

(1) Der Jugendrichter leitet die Vollstreckung in allen Verfahren ein, in denen er selbst oder unter seinem Vorsitz das Jugendschöffengericht im ersten Rechtszug erkannt hat.

(2) 1Soweit, abgesehen von den Fällen des Absatzes 1, die Entscheidung eines anderen Richters zu vollstrecken ist, steht die Einleitung der Vollstreckung dem Jugendrichter des Amtsgerichts zu, dem die familiengerichtlichen Erziehungsaufgaben obliegen. 2Ist in diesen Fällen der Verurteilte volljährig, steht die Einleitung der Vollstreckung dem Jugendrichter des Amtsgerichts zu, dem die familiengerichtlichen Erziehungsaufgaben bei noch fehlender Volljährigkeit oblägen.

(3) In den Fällen der Absätze 1 und 2 führt der Jugendrichter die Vollstreckung durch, soweit § 85 nichts anderes bestimmt.

Zu § 84: Geändert durch G vom 16. 12. 1997 (BGBl I S. 2942) und 17. 12. 2008 (BGBl I S. 2586).

§ 85 JGG Abgabe und Übergang der Vollstreckung

(1) Ist Jugendarrest zu vollstrecken, so gibt der zunächst zuständige Jugendrichter die Vollstreckung an den Jugendrichter ab, der nach § 90 Abs. 2 Satz 2 als Vollzugsleiter zuständig ist.

(2) 1Ist Jugendstrafe zu vollstrecken, so geht nach der Aufnahme des Verurteilten in die Einrichtung für den Vollzug der Jugendstrafe die Vollstreckung auf den Jugendrichter des Amtsgerichts über, in dessen Bezirk die Einrichtung für den Vollzug der Jugendstrafe liegt. 2Die Landesregierungen werden ermächtigt, durch Rechtsverordnung zu bestimmen, dass die Vollstreckung auf den Jugendrichter eines anderen Amtsgerichts übergeht, wenn dies aus verkehrsmäßigen Gründen günstiger erscheint. 3Die Landesregierungen können die Ermächtigung durch Rechtsverordnung auf die Landesjustizverwaltungen übertragen.

(3) 1Unterhält ein Land eine Einrichtung für den Vollzug der Jugendstrafe auf dem Gebiet eines anderen Landes, so können die beteiligten Länder vereinbaren, dass der Jugendrichter eines Amtsgerichts des Landes, das die Einrichtung für den Vollzug der Jugendstrafe unterhält, zuständig sein soll. 2Wird eine solche Vereinbarung getroffen, so geht die Vollstreckung auf den Jugendrichter des Amtsgerichts über, in dessen Bezirk die für die Einrichtung für den Vollzug der Jugendstrafe zuständige Aufsichtsbehörde ihren Sitz hat. 3Die Regierung des Landes, das die Einrichtung für den Vollzug der Jugendstrafe unterhält, wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung zu bestimmen, dass der Jugendrichter eines anderen Amtsgerichts zuständig wird, wenn dies aus verkehrsmäßigen Gründen günstiger erscheint. 4Die Landesregierung kann die Ermächtigung durch Rechtsverordnung auf die Landesjustizverwaltung übertragen.

(4) Absatz 2 gilt entsprechend bei der Vollstreckung einer Maßregel der Besserung und Sicherung nach § 61 Nr. 1 oder 2 des Strafgesetzbuches.

(5) Aus wichtigen Gründen kann der Vollstreckungsleiter die Vollstreckung widerruflich an einen sonst nicht oder nicht mehr zuständigen Jugendrichter abgeben.

(6) 1Hat der Verurteilte das vierundzwanzigste Lebensjahr vollendet, so kann der nach den Absätzen 2 bis 4 zuständige Vollstreckungsleiter die Vollstreckung einer nach den Vorschriften des Strafvollzugs für Erwachsene vollzogenen Jugendstrafe oder einer Maßregel der Besserung und Sicherung an die nach den allgemeinen Vorschriften zuständige Vollstreckungsbehörde abgeben, wenn der Straf- oder Maßregelvollzug voraussichtlich noch länger dauern wird und die besonderen Grundgedanken des Jugendstrafrechts unter Berücksichtigung der Persönlichkeit des Verurteilten für die weiteren Entscheidungen nicht mehr maßgebend sind; die Abgabe ist bindend. 2Mit der Abgabe sind die Vorschriften der Strafprozessordnung und des Gerichtsverfassungsgesetzes über die Strafvollstreckung anzuwenden.

(7) Für die Zuständigkeit der Staatsanwaltschaft im Vollstreckungsverfahren gilt § 451 Abs. 3 der Strafprozessordnung entsprechend.

Zu § 85: Geändert durch G vom 30. 8. 1990 (BGBl I S. 1853) und 13. 12. 2007 (BGBl I S. 2894).

§ 86 JGG Umwandlung des Freizeitarrestes

Der Vollstreckungsleiter kann Freizeitarrest in Kurzarrest umwandeln, wenn die Voraussetzungen des § 16 Abs. 3 nachträglich eingetreten sind.

§ 87 JGG Vollstreckung des Jugendarrestes

(1) Die Vollstreckung des Jugendarrestes wird nicht zur Bewährung ausgesetzt.

(2) Für die Anrechnung von Untersuchungshaft auf Jugendarrest gilt § 450 der Strafprozessordnung sinngemäß.

(3) 1Der Vollstreckungsleiter sieht von der Vollstreckung des Jugendarrestes ganz oder, ist Jugendarrest teilweise verbüßt, von der Vollstreckung des Restes ab, wenn seit Erlass des Urteils Umstände hervorgetreten sind, die allein oder in Verbindung mit den bereits bekannten Umständen ein Absehen von der Vollstreckung aus Gründen der Erziehung rechtfertigen. 2Sind seit Eintritt der Rechtskraft sechs Monate verstrichen, sieht er von der Vollstreckung ganz ab, wenn dies aus Gründen der Erziehung geboten ist. 3Von der Vollstreckung des Jugendarrestes kann er ganz absehen, wenn zu erwarten ist, dass der Jugendarrest neben einer Strafe, die gegen den Verurteilten wegen einer anderen Tat verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, seinen erzieherischen Zweck nicht mehr erfüllen wird. 4Vor der Entscheidung hört der Vollstreckungsleiter nach Möglichkeit das erkennende Gericht, die Staatsanwaltschaft und die Vertretung der Jugendgerichtshilfe.

(4) 1Die Vollstreckung des Jugendarrestes ist unzulässig, wenn seit Eintritt der Rechtskraft ein Jahr verstrichen ist. 2Im Falle des § 16a darf nach Ablauf von drei Monaten seit Eintritt der Rechtskraft der Vollzug nicht mehr begonnen werden. 3Jugendarrest, der nach § 16a verhängt wurde und noch nicht verbüßt ist, wird nicht mehr vollstreckt, wenn das Gericht

  1. 1.

    die Aussetzung der Jugendstrafe widerruft (§ 26 Absatz 1),

  2. 2.

    auf eine Jugendstrafe erkennt, deren Verhängung zur Bewährung ausgesetzt worden war (§ 30 Absatz 1 Satz 1), oder

  3. 3.

    die Aussetzung der Jugendstrafe in einem nachträglichen Beschluss ablehnt (§ 61a Absatz 1).

Zu § 87: Geändert durch G vom 30. 8. 1990 (BGBl I S. 1853) und 4. 9. 2012 (BGBl I S. 1854).

§ 88 JGG Aussetzung des Restes der Jugendstrafe

(1) Der Vollstreckungsleiter kann die Vollstreckung des Restes der Jugendstrafe zur Bewährung aussetzen, wenn der Verurteilte einen Teil der Strafe verbüßt hat und dies im Hinblick auf die Entwicklung des Jugendlichen, auch unter Berücksichtigung des Sicherheitsinteresses der Allgemeinheit, verantwortet werden kann.

(2) 1Vor Verbüßung von sechs Monaten darf die Aussetzung der Vollstreckung des Restes nur aus besonders wichtigen Gründen angeordnet werden. 2Sie ist bei einer Jugendstrafe von mehr als einem Jahr nur zulässig, wenn der Verurteilte mindestens ein Drittel der Strafe verbüßt hat.

(3) 1Der Vollstreckungsleiter soll in den Fällen der Absätze 1 und 2 seine Entscheidung so frühzeitig treffen, dass die erforderlichen Maßnahmen zur Vorbereitung des Verurteilten auf sein Leben nach der Entlassung durchgeführt werden können. 2Er kann seine Entscheidung bis zur Entlassung des Verurteilten wieder aufheben, wenn die Aussetzung auf Grund neu eingetretener oder bekannt gewordener Tatsachen im Hinblick auf die Entwicklung des Jugendlichen, auch unter Berücksichtigung des Sicherheitsinteresses der Allgemeinheit, nicht mehr verantwortet werden kann.

(4) 1Der Vollstreckungsleiter entscheidet nach Anhören des Staatsanwalts und des Vollzugsleiters. 2Dem Verurteilten ist Gelegenheit zur mündlichen Äußerung zu geben.

(5) Der Vollstreckungsleiter kann Fristen von höchstens sechs Monaten festsetzen, vor deren Ablauf ein Antrag des Verurteilten, den Strafrest zur Bewährung auszusetzen, unzulässig ist.

(6) 1Ordnet der Vollstreckungsleiter die Aussetzung der Vollstreckung des Restes der Jugendstrafe an, so gelten § 22 Abs. 1, 2 Satz 1 und 2 sowie die §§ 23 bis 26a sinngemäß. 2An die Stelle des erkennenden Richters tritt der Vollstreckungsleiter. 3Auf das Verfahren und die Anfechtung von Entscheidungen sind die §§ 58, 59 Abs. 2 bis 4 und § 60 entsprechend anzuwenden. 4Die Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen den Beschluss, der die Aussetzung des Strafrestes anordnet, hat aufschiebende Wirkung.

Zu § 88: Geändert durch G vom 30. 8. 1990 (BGBl I S. 1853) und 26. 1. 1998 (BGBl I S. 160).

§ 89 JGG Jugendstrafe bei Vorbehalt der Entscheidung über die Aussetzung

1Hat das Gericht die Entscheidung über die Aussetzung der Jugendstrafe einem nachträglichen Beschluss vorbehalten, darf die Jugendstrafe vor Ablauf der nach § 61a Absatz 1 maßgeblichen Frist nicht vollstreckt werden. 2Dies gilt nicht, wenn die Aussetzung zuvor in einem auf Grund des Vorbehalts ergangenen Beschluss abgelehnt wurde.

Zu § 89: Eingefügt durch G vom 4. 9. 2012 (BGBl I S. 1854).

§ 89a JGG Unterbrechung und Vollstreckung der Jugendstrafe neben Freiheitsstrafe

(1) 1Ist gegen den zu Jugendstrafe Verurteilten auch Freiheitsstrafe zu vollstrecken, so wird die Jugendstrafe in der Regel zuerst vollstreckt. 2Der Vollstreckungsleiter unterbricht die Vollstreckung der Jugendstrafe, wenn die Hälfte, mindestens jedoch sechs Monate, der Jugendstrafe verbüßt sind. 3Er kann die Vollstreckung zu einem früheren Zeitpunkt unterbrechen, wenn die Aussetzung des Strafrestes in Betracht kommt. 4Ein Strafrest, der auf Grund des Widerrufs seiner Aussetzung vollstreckt wird, kann unterbrochen werden, wenn die Hälfte, mindestens jedoch sechs Monate, des Strafrestes verbüßt sind und eine erneute Aussetzung in Betracht kommt. 5§ 454b Absatz 4 der Strafprozessordnung gilt entsprechend.

(2) 1Ist gegen einen Verurteilten außer lebenslanger Freiheitsstrafe auch Jugendstrafe zu vollstrecken, so wird, wenn die letzte Verurteilung eine Straftat betrifft, die der Verurteilte vor der früheren Verurteilung begangen hat, nur die lebenslange Freiheitsstrafe vollstreckt; als Verurteilung gilt das Urteil in dem Verfahren, in dem die zu Grunde liegenden tatsächlichen Feststellungen letztmals geprüft werden konnten. 2Wird die Vollstreckung des Restes der lebenslangen Freiheitsstrafe durch das Gericht zur Bewährung ausgesetzt, so erklärt das Gericht die Vollstreckung der Jugendstrafe für erledigt.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 gilt § 85 Abs. 6 entsprechend mit der Maßgabe, dass der Vollstreckungsleiter die Vollstreckung der Jugendstrafe abgeben kann, wenn der Verurteilte das einundzwanzigste Lebensjahr vollendet hat.

Zu § 89a: Eingefügt durch G vom 30. 8. 1990 (BGBl I S. 1853), geändert durch G vom 17. 8. 2017 (BGBl I S. 3202).

§ 89b JGG Ausnahme vom Jugendstrafvollzug

(1) 1An einem Verurteilten, der das 18. Lebensjahr vollendet hat und sich nicht für den Jugendstrafvollzug eignet, kann die Jugendstrafe statt nach den Vorschriften für den Jugendstrafvollzug nach den Vorschriften des Strafvollzuges für Erwachsene vollzogen werden. 2Hat der Verurteilte das 24. Lebensjahr vollendet, so soll Jugendstrafe nach den Vorschriften des Strafvollzuges für Erwachsene vollzogen werden.

(2) Über die Ausnahme vom Jugendstrafvollzug entscheidet der Vollstreckungsleiter.

Zu § 89b: Eingefügt durch G vom 29. 7. 2009 (BGBl I S. 2274).

§ 89c JGG Vollstreckung der Untersuchungshaft

(1) 1Solange zur Tatzeit Jugendliche das 21. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, wird die Untersuchungshaft nach den Vorschriften für den Vollzug der Untersuchungshaft an jungen Gefangenen und nach Möglichkeit in den für junge Gefangene vorgesehenen Einrichtungen vollzogen. 2Ist die betroffene Person bei Vollstreckung des Haftbefehls 21, aber noch nicht 24 Jahre alt, kann die Untersuchungshaft nach diesen Vorschriften und in diesen Einrichtungen vollzogen werden.

(2) 1Hat der Jugendliche das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet, darf er mit jungen Gefangenen, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, nur untergebracht werden, wenn eine gemeinsame Unterbringung seinem Wohl nicht widerspricht. 2Mit Gefangenen, die das 24. Lebensjahr vollendet haben, darf er nur untergebracht werden, wenn dies seinem Wohl dient.

(3) 1Die Entscheidung nach Absatz 1 Satz 2 trifft das Gericht. 2Die für die Aufnahme vorgesehene Einrichtung und die Jugendgerichtshilfe sind vor der Entscheidung zu hören.

Zu § 89c: Eingefügt durch G vom 29. 7. 2009 (BGBl I S. 2274), geändert durch G vom 9. 12. 2019 (BGBl I S. 2146).

§ 90 JGG Jugendarrest

(1) 1Der Vollzug des Jugendarrestes soll das Ehrgefühl des Jugendlichen wecken und ihm eindringlich zum Bewusstsein bringen, dass er für das von ihm begangene Unrecht einzustehen hat. 2Der Vollzug des Jugendarrestes soll erzieherisch gestaltet werden. 3Er soll dem Jugendlichen helfen, die Schwierigkeiten zu bewältigen, die zur Begehung der Straftat beigetragen haben.

(2) 1Der Jugendarrest wird in Jugendarrestanstalten oder Freizeitarresträumen der Landesjustizverwaltung vollzogen. 2Vollzugsleiter ist der Jugendrichter am Ort des Vollzugs.

Zu § 90: Geändert durch G vom 26. 6. 1990 (BGBl I S. 1163) und 30. 8. 1990 (BGBl I S. 1853).

§ 91 (weggefallen)

§ 91 JGG

(weggefallen)

§ 92 JGG Rechtsbehelfe im Vollzug

(1) 1Gegen eine Maßnahme zur Regelung einzelner Angelegenheiten auf dem Gebiet des Jugendarrestes, der Jugendstrafe und der Maßregeln der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder in einer Entziehungsanstalt (§ 61 Nr. 1 und 2 des Strafgesetzbuches) oder in der Sicherungsverwahrung kann gerichtliche Entscheidung beantragt werden. 2Für die Überprüfung von Vollzugsmaßnahmen gelten die §§ 109 und 111 bis 120 Abs. 1 des Strafvollzugsgesetzes sowie § 67 Absatz 1, 2 und 5 und § 67a Absatz 1 entsprechend; das Landesrecht kann vorsehen, dass der Antrag erst nach einem Verfahren zur gütlichen Streitbeilegung gestellt werden kann.

(2) 1Über den Antrag entscheidet die Jugendkammer, in deren Bezirk die beteiligte Vollzugsbehörde ihren Sitz hat. 2Die Jugendkammer ist auch für Entscheidungen nach § 119a des Strafvollzugsgesetzes zuständig. 3Unterhält ein Land eine Einrichtung für den Vollzug der Jugendstrafe auf dem Gebiet eines anderen Landes, können die beteiligten Länder vereinbaren, dass die Jugendkammer bei dem Landgericht zuständig ist, in dessen Bezirk die für die Einrichtung zuständige Aufsichtsbehörde ihren Sitz hat.

(3) 1Die Jugendkammer entscheidet durch Beschluss. 2Sie bestimmt nach Ermessen, ob eine mündliche Verhandlung durchgeführt wird. 3Auf Antrag des Jugendlichen ist dieser vor einer Entscheidung persönlich anzuhören. 4Hierüber ist der Jugendliche zu belehren. 5Wird eine mündliche Verhandlung nicht durchgeführt, findet die Anhörung in der Regel in der Vollzugseinrichtung statt.

(4) 1Die Jugendkammer ist außer in den Fällen des Absatzes 2 Satz 2 mit einem Richter besetzt. 2Ein Richter auf Probe darf dies nur sein, wenn ihm bereits über einen Zeitraum von einem Jahr Rechtsprechungsaufgaben in Strafverfahren übertragen worden sind. 3Weist die Sache besondere Schwierigkeiten rechtlicher Art auf oder kommt ihr grundsätzliche Bedeutung zu, legt der Richter die Sache der Jugendkammer zur Entscheidung über eine Übernahme vor. 4Liegt eine der Voraussetzungen für eine Übernahme vor, übernimmt die Jugendkammer den Antrag. 5Sie entscheidet hierüber durch Beschluss. 6Eine Rückübertragung ist ausgeschlossen.

(5) Für die Kosten des Verfahrens gilt § 121 des Strafvollzugsgesetzes mit der Maßgabe, dass entsprechend § 74 davon abgesehen werden kann, dem Jugendlichen Kosten und Auslagen aufzuerlegen.

(6) 1Wird eine Jugendstrafe gemäß § 89b Abs. 1 nach den Vorschriften des Strafvollzugs für Erwachsene vollzogen oder hat der Jugendliche im Vollzug einer freiheitsentziehenden Maßregel das vierundzwanzigste Lebensjahr vollendet, sind die Absätze 1 bis 5 nicht anzuwenden. 2Für die Überprüfung von Vollzugsmaßnahmen gelten die Vorschriften der §§ 109 bis 121 des Strafvollzugsgesetzes.

Zu § 92: Neugefasst durch G vom 13. 12. 2007 (BGBl I S. 2894), geändert durch G vom 29. 7. 2009 (BGBl I S. 2274), 5. 12. 2012 (BGBl I S. 2425) und 9. 12. 2019 (BGBl I S. 2146).

§ 93 JGG Gerichtliche Zuständigkeit und gerichtliches Verfahren bei Maßnahmen, die der vorherigen gerichtlichen Anordnung oder der gerichtlichen Genehmigung bedürfen

1Beim Vollzug des Jugendarrestes, der Jugendstrafe und der Maßregeln der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder in einer Entziehungsanstalt oder in der Sicherungsverwahrung ist, soweit nach den Vollzugsgesetzen eine Maßnahme der vorherigen gerichtlichen Anordnung oder der gerichtlichen Genehmigung bedarf, das Amtsgericht zuständig, in dessen Bezirk die Maßnahme durchgeführt wird. 2Unterhält ein Land eine Einrichtung für den Vollzug der in Satz 1 genannten Freiheitsentziehung auf dem Gebiet eines anderen Landes, können die beteiligten Länder vereinbaren, dass das Amtsgericht zuständig ist, in dessen Bezirk die für die Einrichtung zuständige Aufsichtsbehörde ihren Sitz hat. 3Für das Verfahren gelten § 121b des Strafvollzugsgesetzes sowie § 67 Absatz 1, 2 und 5 sowie § 67a Absatz 1, 3 und 5 entsprechend.

Zu § 93: Neugefasst durch G vom 19. 6. 2019 (BGBl I S. 840), geändert durch G vom 9. 12. 2019 (BGBl I S. 2146).

§ 93a JGG Unterbringung in einer Entziehungsanstalt

(1) Die Maßregel nach § 61 Nr. 2 des Strafgesetzbuches wird in einer Einrichtung vollzogen, in der die für die Behandlung suchtkranker Jugendlicher erforderlichen besonderen therapeutischen Mittel und sozialen Hilfen zur Verfügung stehen.

(2) Um das angestrebte Behandlungsziel zu erreichen, kann der Vollzug aufgelockert und weitgehend in freien Formen durchgeführt werden.

§ 94 bis 96 (weggefallen)

§ 94 JGG

(weggefallen)

§ 95 JGG

(weggefallen)

§ 96 JGG

(weggefallen)

§ 97 JGG Beseitigung des Strafmakels durch Richterspruch

(1) 1Hat der Jugendrichter die Überzeugung erlangt, dass sich ein zu Jugendstrafe verurteilter Jugendlicher durch einwandfreie Führung als rechtschaffener Mensch erwiesen hat, so erklärt er von Amts wegen oder auf Antrag des Verurteilten, des Erziehungsberechtigten oder des gesetzlichen Vertreters den Strafmakel als beseitigt. 2Dies kann auch auf Antrag des Staatsanwalts oder, wenn der Verurteilte im Zeitpunkt der Antragstellung noch minderjährig ist, auf Antrag des Vertreters der Jugendgerichtshilfe geschehen. 3Die Erklärung ist unzulässig, wenn es sich um eine Verurteilung nach den §§ 174 bis 180 oder 182 des Strafgesetzbuches handelt.

(2) 1Die Anordnung kann erst zwei Jahre nach Verbüßung oder Erlass der Strafe ergehen, es sei denn, dass der Verurteilte sich der Beseitigung des Strafmakels besonders würdig gezeigt hat. 2Während des Vollzugs oder während einer Bewährungszeit ist die Anordnung unzulässig.

Zu § 97: Geändert durch G vom 26. 1. 1998 (BGBl I S. 160).

§ 98 JGG Verfahren

(1) 1Zuständig ist der Jugendrichter des Amtsgerichts, dem die familiengerichtlichen Erziehungsaufgaben für den Verurteilten obliegen. 2Ist der Verurteilte volljährig, so ist der Jugendrichter zuständig, in dessen Bezirk der Verurteilte seinen Wohnsitz hat.

(2) 1Der Jugendrichter beauftragt mit den Ermittlungen über die Führung des Verurteilten und dessen Bewährung vorzugsweise die Stelle, die den Verurteilten nach der Verbüßung der Strafe betreut hat. 2Er kann eigene Ermittlungen anstellen. 3Er hört den Verurteilten und, wenn dieser minderjährig ist, den Erziehungsberechtigten und den gesetzlichen Vertreter, ferner die Schule und die zuständige Verwaltungsbehörde.

(3) Nach Abschluss der Ermittlungen ist der Staatsanwalt zu hören.

Zu § 98: Geändert durch G vom 16. 12. 1997 (BGBl I S. 2942) und 17. 12. 2008 (BGBl I S. 2586).

§ 99 JGG Entscheidung

(1) Der Jugendrichter entscheidet durch Beschluss.

(2) Hält er die Voraussetzungen für eine Beseitigung des Strafmakels noch nicht für gegeben, so kann er die Entscheidung um höchstens zwei Jahre aufschieben.

(3) Gegen den Beschluss ist sofortige Beschwerde zulässig.

§ 100 JGG Beseitigung des Strafmakels nach Erlass einer Strafe oder eines Strafrestes

1Wird die Strafe oder ein Strafrest bei Verurteilung zu nicht mehr als zwei Jahren Jugendstrafe nach Aussetzung zur Bewährung erlassen, so erklärt der Richter zugleich den Strafmakel als beseitigt. 2Dies gilt nicht, wenn es sich um eine Verurteilung nach den §§ 174 bis 180 oder 182 des Strafgesetzbuches handelt.

Zu § 100: Geändert durch G vom 26. 1. 1998 (BGBl I S. 160).

§ 101 JGG Widerruf

1Wird der Verurteilte, dessen Strafmakel als beseitigt erklärt worden ist, vor der Tilgung des Vermerks wegen eines Verbrechens oder vorsätzlichen Vergehens erneut zu Freiheitsstrafe verurteilt, so widerruft der Richter in dem Urteil oder nachträglich durch Beschluss die Beseitigung des Strafmakels. 2In besonderen Fällen kann er von dem Widerruf absehen.

§ 102 JGG Zuständigkeit

1Die Zuständigkeit des Bundesgerichtshofes und des Oberlandesgerichts werden durch die Vorschriften dieses Gesetzes nicht berührt. 2In den zur Zuständigkeit von Oberlandesgerichten im ersten Rechtszug gehörenden Strafsachen (§ 120 Abs. 1 und 2 des Gerichtsverfassungsgesetzes) entscheidet der Bundesgerichtshof auch über Beschwerden gegen Entscheidungen dieser Oberlandesgerichte, durch welche die Aussetzung der Jugendstrafe zur Bewährung angeordnet oder abgelehnt wird (§ 59 Abs. 1).

Zu § 102: Geändert durch G vom 5. 10. 1978 (BGBl I S. 1645).

§ 103 JGG Verbindung mehrerer Strafsachen

(1) Strafsachen gegen Jugendliche und Erwachsene können nach den Vorschriften des allgemeinen Verfahrensrechts verbunden werden, wenn es zur Erforschung der Wahrheit oder aus anderen wichtigen Gründen geboten ist.

(2) 1Zuständig ist das Jugendgericht. 2Dies gilt nicht, wenn die Strafsache gegen Erwachsene nach den allgemeinen Vorschriften einschließlich der Regelung des § 74e des Gerichtsverfassungsgesetzes zur Zuständigkeit der Wirtschaftsstrafkammer oder der Strafkammer nach § 74a des Gerichtsverfassungsgesetzes gehört; in einem solchen Fall sind diese Strafkammern auch für die Strafsache gegen den Jugendlichen zuständig. 3Für die Prüfung der Zuständigkeit der Wirtschaftsstrafkammer und der Strafkammer nach § 74a des Gerichtsverfassungsgesetzes gelten im Falle des Satzes 2 die §§ 6a, 225a Abs. 4, § 270 Abs. 1 Satz 2 der Strafprozessordnung entsprechend; § 209a der Strafprozessordnung ist mit der Maßgabe anzuwenden, dass diese Strafkammern auch gegenüber der Jugendkammer einem Gericht höherer Ordnung gleichstehen.

(3) Beschließt der Richter die Trennung der verbundenen Sachen, so erfolgt zugleich Abgabe der abgetrennten Sache an den Richter, der ohne die Verbindung zuständig gewesen wäre.

Zu § 103: Geändert durch G vom 5. 10. 1978 (BGBl I S. 1645).

§ 104 JGG Verfahren gegen Jugendliche

(1) In Verfahren gegen Jugendliche vor den für allgemeine Strafsachen zuständigen Gerichten gelten die Vorschriften dieses Gesetzes über

  1. 1.

    Verfehlungen Jugendlicher und ihre Folgen (§§ 3 bis 32),

  2. 2.

    die Heranziehung und die Rechtsstellung der Jugendgerichtshilfe (§§ 38, 46a, 50 Abs. 3),

  3. 3.

    den Umfang der Ermittlungen im Vorverfahren (§ 43),

  4. 4.

    das Absehen von der Verfolgung und die Einstellung des Verfahrens durch den Richter (§§ 45, 47),

  5. 4a.

    den Ausschluss der Öffentlichkeit (§ 48 Absatz 3 Satz 2),

  6. 5.

    die Untersuchungshaft (§§ 52, 52a, 72, 89c),

  7. 6.

    die Urteilsgründe (§ 54),

  8. 7.

    das Rechtsmittelverfahren (§§ 55, 56),

  9. 8.

    das Verfahren bei Aussetzung der Jugendstrafe zur Bewährung und der Verhängung der Jugendstrafe (§§ 57 bis 64),

  10. 9.

    die Beteiligung und die Rechtsstellung der Erziehungsberechtigten und der gesetzlichen Vertreter (§ 50 Absatz 2, § 51 Absatz 2 bis 7, §§ 6767a),

  11. 10.

    die notwendige Verteidigung (§§ 68, 68a),

  12. 11.

    Mitteilungen an amtliche Stellen (§ 70),

  13. 11a.

    die Unterrichtung des Jugendlichen (§ 70a),

  14. 11b.

    Belehrungen (§ 70b),

  15. 11c.

    die Vernehmung des Beschuldigten (§ 70c),

  16. 12.

    die Unterbringung zur Beobachtung (§ 73),

  17. 13.

    Kosten und Auslagen (§ 74),

  18. 14.

    den Ausschluss von Vorschriften des allgemeinen Verfahrensrechts (§§ 79 bis 81) und

  19. 15.

    Verfahren und Entscheidung bei Anordnung der Sicherungsverwahrung (§ 81a).

(2) Die Anwendung weiterer Verfahrensvorschriften dieses Gesetzes steht im Ermessen des Gerichts.

(3) Soweit es aus Gründen der Staatssicherheit geboten und mit dem Wohl des Jugendlichen vereinbar ist, kann das Gericht anordnen, dass die Heranziehung der Jugendgerichtshilfe unterbleibt und dass die in § 67 Absatz 1 und 2 genannten Rechte der Erziehungsberechtigten und der gesetzlichen Vertreter ruhen.

(4) 1Hält das Gericht Erziehungsmaßregeln für erforderlich, so hat es deren Auswahl und Anordnung dem Familiengericht zu überlassen. 2§ 53 Satz 2 gilt entsprechend.

(5) Dem Jugendrichter, in dessen Bezirk sich der Jugendliche aufhält, sind folgende Entscheidungen zu übertragen:

  1. 1.

    Entscheidungen, die nach einer Aussetzung der Jugendstrafe zur Bewährung erforderlich werden;

  2. 2.

    Entscheidungen, die nach einer Aussetzung der Verhängung der Jugendstrafe erforderlich werden, mit Ausnahme der Entscheidungen über die Festsetzung der Strafe und die Tilgung des Schuldspruchs (§ 30);

  3. 3.

    Entscheidungen, die nach dem Vorbehalt einer nachträglichen Entscheidung über die Aussetzung der Jugendstrafe erforderlich werden, mit Ausnahme der vorbehaltenen Entscheidung selbst (§ 61a).

Zu § 104: Geändert durch G vom 16. 12. 1997 (BGBl I S. 2942), 17. 12. 2008 (BGBl I S. 2586), 22. 12. 2010 (BGBl I S. 2300), 4. 9. 2012 (BGBl I S. 1854), 27. 8. 2017 (BGBl I S. 3295) und 9. 12. 2019 (BGBl I S. 2146).

§ 105 JGG Anwendung des Jugendstrafrechts auf Heranwachsende

(1) Begeht ein Heranwachsender eine Verfehlung, die nach den allgemeinen Vorschriften mit Strafe bedroht ist, so wendet der Richter die für einen Jugendlichen geltenden Vorschriften der §§ 4 bis 8, 9 Nr. 1, §§ 10, 11 und 13 bis 32 entsprechend an, wenn

  1. 1.
    die Gesamtwürdigung der Persönlichkeit des Täters bei Berücksichtigung auch der Umweltbedingungen ergibt, dass er zur Zeit der Tat nach seiner sittlichen und geistigen Entwicklung noch einem Jugendlichen gleichstand, oder
  2. 2.
    es sich nach der Art, den Umständen oder den Beweggründen der Tat um eine Jugendverfehlung handelt.

(2) § 31 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 ist auch dann anzuwenden, wenn der Heranwachsende wegen eines Teils der Straftaten bereits rechtskräftig nach allgemeinem Strafrecht verurteilt worden ist.

(3) 1Das Höchstmaß der Jugendstrafe für Heranwachsende beträgt zehn Jahre. 2Handelt es sich bei der Tat um Mord und reicht das Höchstmaß nach Satz 1 wegen der besonderen Schwere der Schuld nicht aus, so ist das Höchstmaß 15 Jahre.

Zu § 105: Geändert durch G vom 4. 9. 2012 (BGBl I S. 1854).

§ 106 JGG Milderung des allgemeinen Strafrechts für Heranwachsende; Sicherungsverwahrung (1)

(1) Ist wegen der Straftat eines Heranwachsenden das allgemeine Strafrecht anzuwenden, so kann das Gericht an Stelle von lebenslanger Freiheitsstrafe auf eine Freiheitsstrafe von zehn bis zu fünfzehn Jahren erkennen.

(2) Das Gericht kann anordnen, dass der Verlust der Fähigkeit, öffentliche Ämter zu bekleiden und Rechte aus öffentlichen Wahlen zu erlangen (§ 45 Abs. 1 des Strafgesetzbuches), nicht eintritt.

(3) 1Sicherungsverwahrung darf neben der Strafe nicht angeordnet werden. 2Das Gericht kann im Urteil die Anordnung der Sicherungsverwahrung vorbehalten, wenn

  1. 1.

    der Heranwachsende zu einer Freiheitsstrafe von mindestens fünf Jahren verurteilt wird wegen eines oder mehrerer Verbrechen

    1. a)

      gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit oder die sexuelle Selbstbestimmung oder

    2. b)

    durch welche das Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt oder einer solchen Gefahr ausgesetzt worden ist, und

  2. 2.

    auf Grund der Gesamtwürdigung des Heranwachsenden und seiner Tat oder seiner Taten mit hinreichender Sicherheit feststellbar oder zumindest wahrscheinlich ist, dass bei ihm ein Hang zu Straftaten der in Nummer 1 bezeichneten Art vorliegt und er infolgedessen zum Zeitpunkt der Verurteilung für die Allgemeinheit gefährlich ist.

(4) Unter den übrigen Voraussetzungen des Absatzes 3 Satz 2 kann das Gericht einen solchen Vorbehalt auch aussprechen, wenn

  1. 1.

    die Verurteilung wegen eines oder mehrerer Vergehen nach den §§ 176a und 176b des Strafgesetzbuches erfolgt,

  2. 2.

    die übrigen Voraussetzungen des § 66 Absatz 3 des Strafgesetzbuches erfüllt sind, soweit dieser nicht auf § 66 Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 des Strafgesetzbuches verweist, und

  3. 3.

    es sich auch bei den maßgeblichen früheren und künftig zu erwartenden Taten um solche der in Nummer 1 oder Absatz 3 Satz 2 Nummer 1 genannten Art handelt, durch welche das Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt oder einer solchen Gefahr ausgesetzt worden ist oder würde.

(5) 1Wird neben der Strafe die Anordnung der Sicherungsverwahrung vorbehalten und hat der Verurteilte das siebenundzwanzigste Lebensjahr noch nicht vollendet, so ordnet das Gericht an, dass bereits die Strafe in einer sozialtherapeutischen Einrichtung zu vollziehen ist, es sei denn, dass die Resozialisierung des Täters dadurch nicht besser gefördert werden kann. 2Diese Anordnung kann auch nachträglich erfolgen. 3Solange der Vollzug in einer sozialtherapeutischen Einrichtung noch nicht angeordnet oder der Gefangene noch nicht in eine sozialtherapeutische Einrichtung verlegt worden ist, ist darüber jeweils nach sechs Monaten neu zu entscheiden. 4Für die nachträgliche Anordnung nach Satz 2 ist die Strafvollstreckungskammer zuständig. 5§ 66c Absatz 2 und § 67a Absatz 2 bis 4 des Strafgesetzbuches bleiben unberührt.

(6) Das Gericht ordnet die Sicherungsverwahrung an, wenn die Gesamtwürdigung des Verurteilten, seiner Tat oder seiner Taten und ergänzend seiner Entwicklung bis zum Zeitpunkt der Entscheidung ergibt, dass von ihm Straftaten der in Absatz 3 Satz 2 Nummer 1 oder Absatz 4 bezeichneten Art zu erwarten sind; § 66a Absatz 3 Satz 1 des Strafgesetzbuches gilt entsprechend.

(7) Ist die wegen einer Tat der in Absatz 3 Satz 2 Nr. 1 bezeichneten Art angeordnete Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 67d Abs. 6 des Strafgesetzbuches für erledigt erklärt worden, weil der die Schuldfähigkeit ausschließende oder vermindernde Zustand, auf dem die Unterbringung beruhte, im Zeitpunkt der Erledigungsentscheidung nicht bestanden hat, so kann das Gericht die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung nachträglich anordnen, wenn

  1. 1.
    die Unterbringung des Betroffenen nach § 63 des Strafgesetzbuches wegen mehrerer solcher Taten angeordnet wurde oder wenn der Betroffene wegen einer oder mehrerer solcher Taten, die er vor der zur Unterbringung nach § 63 des Strafgesetzbuches führenden Tat begangen hat, schon einmal zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt oder in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht worden war und
  2. 2.
    die Gesamtwürdigung des Betroffenen, seiner Taten und ergänzend seiner Entwicklung bis zum Zeitpunkt der Entscheidung ergibt, dass er mit hoher Wahrscheinlichkeit erneut Straftaten der in Absatz 3 Satz 2 Nr. 1 bezeichneten Art begehen wird.

Zu § 106: Geändert durch G vom 2. 3. 1974 (BGBl I S. 469) in Verb. mit G vom 20. 12. 1984 (BGBl I S. 1654), durch G vom 27. 12. 2003 (BGBl I S. 3007), 23. 7. 2004 (BGBl I S. 1838), 13. 4. 2007 (BGBl I S. 513), 8. 7. 2008 (BGBl I S. 1212), 22. 12. 2010 (BGBl I S. 2300), 5. 12. 2012 (BGBl I S. 2425) und 16. 6. 2021 (BGBl I S. 1810).

(1) Red. Anm.:

Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts

Vom 30. Mai 2011 (BGBl. I S. 1003)

Aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 4. Mai 2011 - 2 BvR 2365/09, 2 BvR 740/10, 2 BvR 2333/08, 2 BvR 1152/10, 2 BvR 571/10 - wird folgende Entscheidungsformel veröffentlicht:

  1. II.
    1. 1.
      1. a)

        § 67d Absatz 3 Satz 1 des Strafgesetzbuchs in der Fassung des Gesetzes zur Bekämpfung von Sexualdelikten und anderen gefährlichen Straftaten vom 26. Januar 1998 (Bundesgesetzblatt Teil I Seite 160) - soweit er zur Anordnung der Fortdauer der Sicherungsverwahrung über zehn Jahre hinaus auch bei Verurteilten ermächtigt, deren Anlasstaten vor Inkrafttreten von Artikel 1 des Gesetzes zur Bekämpfung von Sexualdelikten und anderen gefährlichen Straftaten vom 26. Januar 1998 (Bundesgesetzblatt Teil I Seite 160) begangen wurden -, § 66b Absatz 2 des Strafgesetzbuchs in der Fassung des Gesetzes zur Reform der Führungsaufsicht und zur Änderung der Vorschriften über die nachträgliche Sicherungsverwahrung vom 13. April 2007 (Bundesgesetzblatt Teil I Seite 513), § 7 Absatz 2 des Jugendgerichtsgesetzes in der Fassung des Gesetzes zur Einführung der nachträglichen Sicherungsverwahrung bei Verurteilungen nach Jugendstrafrecht vom 8. Juli 2008 (Bundesgesetzblatt Teil I Seite 1212) sowie

      2. b)

        § 66 des Strafgesetzbuchs in der Fassung des Gesetzes zur Neuordnung des Rechts der Sicherungsverwahrung und zu begleitenden Regelungen vom 22. Dezember 2010 (Bundesgesetzblatt Teil I Seite 2300), § 66 des Strafgesetzbuchs in der Fassung des Gesetzes zur Änderung der Vorschriften über die Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung und zur Änderung anderer Vorschriften vom 27. Dezember 2003 (Bundesgesetzblatt Teil I Seite 3007), § 66a des Strafgesetzbuchs in der Fassung des Gesetzes zur Neuordnung des Rechts der Sicherungsverwahrung und zu begleitenden Regelungen vom 22. Dezember 2010 (Bundesgesetzblatt Teil I Seite 2300), § 66a Absatz 1 und Absatz 2 des Strafgesetzbuchs in der Fassung des Gesetzes zur Einführung der vorbehaltenen Sicherungsverwahrung vom 21. August 2002 (Bundesgesetzblatt Teil I Seite 3344), § 66b des Strafgesetzbuchs in der Fassung des Gesetzes zur Neuordnung des Rechts der Sicherungsverwahrung und zu begleitenden Regelungen vom 22. Dezember 2010 (Bundesgesetzblatt Teil I Seite 2300), § 66b Absatz 1 des Strafgesetzbuchs in der Fassung des Gesetzes zur Reform der Führungsaufsicht und zur Änderung der Vorschriften über die nachträgliche Sicherungsverwahrung vom 13. April 2007 (Bundesgesetzblatt Teil I Seite 513), § 66b Absatz 3 des Strafgesetzbuchs in der Fassung des Gesetzes zur Einführung der nachträglichen Sicherungsverwahrung vom 23. Juli 2004 (Bundesgesetzblatt Teil I Seite 1838), § 67d Absatz 2 Satz 1 des Strafgesetzbuchs in der Fassung des Gesetzes zur Bekämpfung von Sexualdelikten und anderen gefährlichen Straftaten vom 26. Januar 1998 (Bundesgesetzblatt Teil I Seite 160) - soweit er zur Anordnung der Fortdauer der Sicherungsverwahrung bis zu zehn Jahren ermächtigt -, § 67d Absatz 3 Satz 1 des Strafgesetzbuchs in der Fassung des Gesetzes zur Bekämpfung von Sexualdelikten und anderen gefährlichen Straftaten vom 26. Januar 1998 (Bundesgesetzblatt Teil I Seite 160), § 67d Absatz 3 Satz 1 des Strafgesetzbuchs in der Fassung des Gesetzes zur Neuordnung des Rechts der Sicherungsverwahrung und zu begleitenden Regelungen vom 22. Dezember 2010 (Bundesgesetzblatt Teil I Seite 2300), § 7 Absatz 3 des Jugendgerichtsgesetzes in der Fassung des Gesetzes zur Neuordnung des Rechts der Sicherungsverwahrung und zu begleitenden Regelungen vom 22. Dezember 2010 (Bundesgesetzblatt Teil I Seite 2300), § 7 Absatz 3 des Jugendgerichtsgesetzes in der Fassung des Gesetzes zur Einführung der nachträglichen Sicherungsverwahrung bei Verurteilungen nach Jugendstrafrecht vom 8. Juli 2008 (Bundesgesetzblatt Teil I Seite 1212), § 106 Absatz 3 Satz 2 und Satz 3, Absatz 5 und Absatz 6 des Jugendgerichtsgesetzes in der Fassung des Gesetzes zur Neuordnung des Rechts der Sicherungsverwahrung und zu begleitenden Regelungen vom 22. Dezember 2010 (Bundesgesetzblatt Teil I Seite 2300), § 106 Absatz 3 Satz 2 und Satz 3 des Jugendgerichtsgesetzes in der Fassung des Gesetzes zur Änderung der Vorschriften über die Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung und zur Änderung anderer Vorschriften vom 27. Dezember 2003 (Bundesgesetzblatt Teil I Seite 3007), § 106 Absatz 5 des Jugendgerichtsgesetzes in der Fassung des Gesetzes zur Reform der Führungsaufsicht und zur Änderung der Vorschriften über die nachträgliche Sicherungsverwahrung vom 13. April 2007 (Bundesgesetzblatt Teil I Seite 513) und § 106 Absatz 6 des Jugendgerichtsgesetzes in der Fassung des Gesetzes zur Einführung der nachträglichen Sicherungsverwahrung vom 23. Juli 2004 (Bundesgesetzblatt Teil I Seite 1838)

      sind mit Artikel 2 Absatz 2 Satz 2 in Verbindung mit Artikel 104 Absatz 1 des Grundgesetzes unvereinbar.

    2. 2.

      § 67d Absatz 3 Satz 1 des Strafgesetzbuchs in der Fassung des Gesetzes zur Bekämpfung von Sexualdelikten und anderen gefährlichen Straftaten vom 26. Januar 1998 (Bundesgesetzblatt Teil I Seite 160) in Verbindung mit § 2 Absatz 6 des Strafgesetzbuchs - soweit er zur Anordnung der Fortdauer der Sicherungsverwahrung über zehn Jahre hinaus auch bei Verurteilten ermächtigt, deren Anlasstaten vor Inkrafttreten von Artikel 1 des Gesetzes zur Bekämpfung von Sexualdelikten und anderen gefährlichen Straftaten vom 26. Januar 1998 (Bundesgesetzblatt Teil I Seite 160) begangen wurden -, § 66b Absatz 2 des Strafgesetzbuchs in der Fassung des Gesetzes zur Reform der Führungsaufsicht und zur Änderung der Vorschriften über die nachträgliche Sicherungsverwahrung vom 13. April 2007 (Bundesgesetzblatt Teil I Seite 513) und § 7 Absatz 2 des Jugendgerichtsgesetzes in der Fassung des Gesetzes zur Einführung der nachträglichen Sicherungsverwahrung bei Verurteilungen nach Jugendstrafrecht vom 8. Juli 2008 (Bundesgesetzblatt Teil I Seite 1212)

      sind darüber hinaus mit Artikel 2 Absatz 2 Satz 2 in Verbindung mit Artikel 20 Absatz 3 des Grundgesetzes unvereinbar.

  2. III.

    Gemäß § 35 des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht wird angeordnet:

    1. 1.

      Die unter Nummer II.1. angeführten Vorschriften bleiben bis zu einer Neuregelung durch den Gesetzgeber, längstens bis zum 31. Mai 2013, nach Maßgabe der Gründe weiter anwendbar.

    2. 2.

      Die unter Nummer II.2. angeführten Vorschriften bleiben ebenfalls bis zu einer Neuregelung durch den Gesetzgeber, längstens bis zum 31. Mai 2013, weiter anwendbar, jedoch nach folgender Maßgabe:

      1. a)

        In den von § 67d Absatz 3 Satz 1 in Verbindung mit § 2 Absatz 6 des Strafgesetzbuchs erfassten Fällen, in denen die Fortdauer der Sicherungsverwahrung über zehn Jahre hinaus Sicherungsverwahrte betrifft, deren Anlasstaten vor Inkrafttreten von Artikel 1 des Gesetzes zur Bekämpfung von Sexualdelikten und anderen gefährlichen Straftaten vom 26. Januar 1998 (Bundesgesetzblatt Teil I Seite 160) begangen wurden, sowie in den Fällen der nachträglichen Sicherungsverwahrung gemäß § 66b Absatz 2 des Strafgesetzbuchs und des § 7 Absatz 2 des Jugendgerichtsgesetzes dürfen die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung beziehungsweise ihre Fortdauer nur noch angeordnet werden, wenn eine hochgradige Gefahr schwerster Gewalt- oder Sexualstraftaten aus konkreten Umständen in der Person oder dem Verhalten des Untergebrachten abzuleiten ist und dieser an einer psychischen Störung im Sinne von § 1 Absatz 1 Nummer 1 des Gesetzes zur Therapierung und Unterbringung psychisch gestörter Gewalttäter (Therapieunterbringungsgesetz - ThUG) - Artikel 5 des Gesetzes zur Neuordnung des Rechts der Sicherungsverwahrung und zu begleitenden Regelungen vom 22. Dezember 2010 (Bundesgesetzblatt Teil I Seite 2300) - leidet.

      2. b)

        Die zuständigen Vollstreckungsgerichte haben unverzüglich nach Verkündung dieses Urteils zu überprüfen, ob die Voraussetzungen der Fortdauer einer Sicherungsverwahrung nach Buchstabe a) gegeben sind. Liegen die Voraussetzungen nicht vor, ordnen die Vollstreckungsgerichte die Freilassung der betroffenen Sicherungsverwahrten spätestens mit Wirkung zum 31. Dezember 2011 an.

      3. c)

        Die Überprüfungsfrist für die Aussetzung oder Erledigung der Sicherungsverwahrung beträgt in den Fällen des § 7 Absatz 2 des Jugendgerichtsgesetzes abweichend von § 7 Absatz 4 des Jugendgerichtsgesetzes sechs Monate, in den übrigen Fällen des Buchstaben a) abweichend von § 67e Absatz 2 des Strafgesetzbuchs ein Jahr.

Die vorstehende Entscheidungsformel hat gemäß § 31 Absatz 2 des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes Gesetzeskraft.

§ 107 JGG Gerichtsverfassung

Von den Vorschriften über die Jugendgerichtsverfassung gelten die §§ 33 bis 34 Abs. 1 und §§ 35 bis 38 für Heranwachsende entsprechend.

Zu § 107: Geändert durch G vom 11. 1. 1993 (BGBl I S. 50).

§ 108 JGG Zuständigkeit

(1) Die Vorschriften über die Zuständigkeit der Jugendgerichte (§§ 39 bis 42) gelten auch bei Verfehlungen Heranwachsender.

(2) Der Jugendrichter ist für Verfehlungen Heranwachsender auch zuständig, wenn die Anwendung des allgemeinen Strafrechts zu erwarten ist und nach § 25 des Gerichtsverfassungsgesetzes der Strafrichter zu entscheiden hätte.

(3) 1Ist wegen der rechtswidrigen Tat eines Heranwachsenden das allgemeine Strafrecht anzuwenden, so gilt § 24 Abs. 2 des Gerichtsverfassungsgesetzes. 2Ist im Einzelfall eine höhere Strafe als vier Jahre Freiheitsstrafe oder die Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus, allein oder neben einer Strafe, oder in der Sicherungsverwahrung (§ 106 Absatz 3, 4, 7) zu erwarten, so ist die Jugendkammer zuständig. 3Der Beschluss einer verminderten Besetzung in der Hauptverhandlung (§ 33b) ist nicht zulässig, wenn die Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung, deren Vorbehalt oder die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus zu erwarten ist.

Zu § 108: Geändert durch G vom 11. 1. 1993 (BGBl I S. 50), 23. 7. 2004 (BGBl I S. 1838), 6. 12. 2011 (BGBl I S. 2554) und 5. 12. 2012 (BGBl I S. 2425).

§ 109 JGG Verfahren

(1) 1Von den Vorschriften über das Jugendstrafverfahren (§§ 43 bis 81a) sind im Verfahren gegen einen Heranwachsenden die §§ 43, 46a, 47a, 50 Absatz 3 und 4, die §§ 51a, 68 Nummer 1, 4 und 5, die §§ 68a, 68b, 70 Absatz 2 und 3, die §§ 70a, 70b Absatz 1 Satz 1 und Absatz 2, die §§ 70c, 72a bis 73 und 81a entsprechend anzuwenden. 2Die Bestimmungen des § 70a sind nur insoweit anzuwenden, als sich die Unterrichtung auf Vorschriften bezieht, die nach dem für die Heranwachsenden geltenden Recht nicht ausgeschlossen sind. 3Die Jugendgerichtshilfe und in geeigneten Fällen auch die Schule werden von der Einleitung und dem Ausgang des Verfahrens unterrichtet. 4Sie benachrichtigen den Staatsanwalt, wenn ihnen bekannt wird, dass gegen den Beschuldigten noch ein anderes Strafverfahren anhängig ist. 5Die Öffentlichkeit kann ausgeschlossen werden, wenn dies im Interesse des Heranwachsenden geboten ist.

(2) 1Wendet der Richter Jugendstrafrecht an (§ 105), so gelten auch die §§ 45, 47 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 2 und 3, Abs. 2, 3, §§ 52, 52a, 54 Abs. 1, §§ 55 bis 66, 74 und 79 Abs. 1 entsprechend. 2§ 66 ist auch dann anzuwenden, wenn die einheitliche Festsetzung von Maßnahmen oder Jugendstrafe nach § 105 Abs. 2 unterblieben ist. 3§ 55 Abs. 1 und 2 ist nicht anzuwenden, wenn die Entscheidung im beschleunigten Verfahren des allgemeinen Verfahrensrechts ergangen ist. 4§ 74 ist im Rahmen einer Entscheidung über die Auslagen des Antragstellers nach § 472a der Strafprozessordnung nicht anzuwenden.

(3) In einem Verfahren gegen einen Heranwachsenden findet § 407 Abs. 2 Satz 2 der Strafprozessordnung keine Anwendung.

Zu § 109: Geändert durch G vom 5. 10. 1978 (BGBl I S. 1645), 30. 8. 1990 (BGBl I S. 1853), 11. 3. 1993 (BGBl I S. 50), 28. 10. 1994 (BGBl I S. 3186), 22. 12. 2006 (BGBl I S. 3416), 29. 7. 2009 (BGBl I S. 2274), 22. 12. 2010 (BGBl I S. 2300), 4. 9. 2012 (BGBl I S. 1854), 26. 6. 2013 (BGBl I S. 1805), 9. 12. 2019 (BGBl I S. 2146) und 25. 6. 2021 (BGBl I S. 2099).

§ 110 JGG Vollstreckung und Vollzug

(1) Von den Vorschriften über die Vollstreckung und den Vollzug bei Jugendlichen gelten § 82 Abs. 1, §§ 83 bis 93a für Heranwachsende entsprechend, soweit der Richter Jugendstrafrecht angewendet (§ 105) und nach diesem Gesetz zulässige Maßnahmen oder Jugendstrafe verhängt hat.

(2) Für die Vollstreckung von Untersuchungshaft an zur Tatzeit Heranwachsenden gilt § 89c Absatz 1 und 3 entsprechend.

Zu § 110: Geändert durch G vom 30. 8. 1990 (BGBl I S. 1853), 29. 7. 2009 (BGBl I S. 2274) und 9. 12. 2019 (BGBl I S. 2146).

§ 111 JGG Beseitigung des Strafmakels

Die Vorschriften über die Beseitigung des Strafmakels (§§ 97 bis 101) gelten für Heranwachsende entsprechend, soweit der Richter Jugendstrafe verhängt hat.

§ 112 JGG Entsprechende Anwendung

1Die §§ 102, 103, 104 Abs. 1 bis 3 und 5 gelten für Verfahren gegen Heranwachsende entsprechend. 2Die in § 104 Abs. 1 genannten Vorschriften sind nur insoweit anzuwenden, als sie nach dem für die Heranwachsenden geltenden Recht nicht ausgeschlossen sind. 3Hält der Richter die Erteilung von Weisungen für erforderlich, so überlässt er die Auswahl und Anordnung dem Jugendrichter, in dessen Bezirk sich der Heranwachsende aufhält.

§ 112a JGG Anwendung des Jugendstrafrechts

1Das Jugendstrafrecht (§§ 3 bis 32, 105) gilt für die Dauer des Wehrdienstverhältnisses eines Jugendlichen oder Heranwachsenden mit folgenden Abweichungen:

  1. 1.

    Hilfe zur Erziehung im Sinne des § 12 darf nicht angeordnet werden.

  2. 2.

    (weggefallen)

  3. 3.

    1Bei der Erteilung von Weisungen und Auflagen soll der Richter die Besonderheiten des Wehrdienstes berücksichtigen. 2Weisungen und Auflagen, die bereits erteilt sind, soll er diesen Besonderheiten anpassen.

  4. 4.

    1Als ehrenamtlicher Bewährungshelfer kann ein Soldat bestellt werden. 2Er untersteht bei seiner Tätigkeit (§ 25 Satz 2) nicht den Anweisungen des Richters.

  5. 5.

    1Von der Überwachung durch einen Bewährungshelfer, der nicht Soldat ist, sind Angelegenheiten ausgeschlossen, für welche die militärischen Vorgesetzten des Jugendlichen oder Heranwachsenden zu sorgen haben. 2Maßnahmen des Disziplinarvorgesetzten haben den Vorrang.

Zu § 112a: Geändert durch G vom 26. 6. 1990 (BGBl I S. 1163) und 8. 12. 2010 (BGBl I S. 1864).

§ 112b (weggefallen)

§ 112b JGG

(weggefallen)

§ 112c JGG Vollstreckung

(1) Der Vollstreckungsleiter sieht davon ab, Jugendarrest, der wegen einer vor Beginn des Wehrdienstverhältnisses begangenen Tat verhängt ist, gegenüber Soldaten der Bundeswehr zu vollstrecken, wenn die Besonderheiten des Wehrdienstes es erfordern und ihnen nicht durch einen Aufschub der Vollstreckung Rechnung getragen werden kann.

(2) Die Entscheidung des Vollstreckungsleiters nach Absatz 1 ist eine jugendrichterliche Entscheidung im Sinne des § 83.

Zu § 112c: Geändert durch G vom 8. 12. 2010 (BGBl I S. 1864).

§ 112d JGG Anhörung des Disziplinarvorgesetzten

Bevor der Richter oder der Vollstreckungsleiter einem Soldaten der Bundeswehr Weisungen oder Auflagen erteilt, von der Vollstreckung des Jugendarrestes nach § 112c Absatz 1 absieht oder einen Soldaten als Bewährungshelfer bestellt, soll er den nächsten Disziplinarvorgesetzten des Jugendlichen oder Heranwachsenden hören.

Zu § 112d: Geändert durch G vom 8. 12. 2010 (BGBl I S. 1864).

§ 112e JGG Verfahren vor Gerichten, die für allgemeine Strafsachen zuständig sind

In Verfahren gegen Jugendliche oder Heranwachsende vor den für allgemeine Strafsachen zuständigen Gerichten (§ 104) sind die §§ 112a und 112d anzuwenden.

Zu § 112e: Geändert durch G vom 8. 12. 2010 (BGBl I S. 1864).

§ 113 JGG Bewährungshelfer

1Für den Bezirk eines jeden Jugendrichters ist mindestens ein hauptamtlicher Bewährungshelfer anzustellen. 2Die Anstellung kann für mehrere Bezirke erfolgen oder ganz unterbleiben, wenn wegen des geringen Anfalls von Strafsachen unverhältnismäßig hohe Aufwendungen entstehen würden. 3Das Nähere über die Tätigkeit des Bewährungshelfers ist durch Landesgesetz zu regeln.

§ 114 JGG Vollzug von Freiheitsstrafe in der Einrichtung für den Vollzug der Jugendstrafe

In der Einrichtung für den Vollzug der Jugendstrafe dürfen an Verurteilten, die das vierundzwanzigste Lebensjahr noch nicht vollendet haben und sich für den Jugendstrafvollzug eignen, auch Freiheitsstrafen vollzogen werden, die nach allgemeinem Strafrecht verhängt worden sind.

Zu § 114: Geändert durch G vom 13. 12. 2007 (BGBl I S. 2894).

§ 115 (weggefallen)

§ 115 JGG

(weggefallen)

§ 116 JGG Zeitlicher Geltungsbereich

Das Gesetz wird auch auf Verfehlungen angewendet, die vor seinem In-Kraft-Treten begangen worden sind.

Zu § 116: Geändert durch G vom 30. 8. 1990 (BGBl I S. 1853) und 8. 12. 2010 (BGBl I S. 1864).

§ 117 (weggefallen)

§ 118 (weggefallen)

§ 119 (weggefallen)

§ 120 (weggefallen)

§ 117 JGG

(weggefallen)

§ 118 (weggefallen)

§ 119 (weggefallen)

§ 120 (weggefallen)

§ 118 JGG

(weggefallen)

§ 119 (weggefallen)

§ 120 (weggefallen)

§ 119 JGG

(weggefallen)

§ 120 (weggefallen)

§ 120 JGG

(weggefallen)

§ 121 JGG Übergangsvorschrift

(1) Für am 1. Januar 2008 bereits anhängige Verfahren auf gerichtliche Entscheidung über die Rechtmäßigkeit von Maßnahmen im Vollzug der Jugendstrafe, des Jugendarrestes und der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt sind die Vorschriften des Dritten Abschnitts des Einführungsgesetzes zum Gerichtsverfassungsgesetz in ihrer bisherigen Fassung weiter anzuwenden.

(2) Für Verfahren, die vor dem 1. Januar 2012 bei der Jugendkammer anhängig geworden sind, ist § 33b Absatz 2 in der bis zum 31. Dezember 2011 geltenden Fassung anzuwenden.

(3) Hat die Staatsanwaltschaft in Verfahren, in denen über die im Urteil vorbehaltene oder die nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung zu entscheiden ist, die Akten dem Vorsitzenden des zuständigen Gerichts vor dem 1. Januar 2012 übergeben, ist § 74f des Gerichtsverfassungsgesetzes in der bis zum 31. Dezember 2011 geltenden Fassung entsprechend anzuwenden.

Zu § 121: Neugefasst durch G vom 13. 12. 2007 (BGBl I S. 2894), geändert durch G vom 29. 7. 2009 (BGBl I S. 2274) und 6. 12. 2011 (BGBl I S. 2554).

§ 122 (weggefallen)

§ 123 (weggefallen)

§ 124 (weggefallen)

§ 122 JGG

(weggefallen)

§ 123 (weggefallen)

§ 124 (weggefallen)

§ 123 JGG

(weggefallen)

§ 124 (weggefallen)

§ 124 JGG

(weggefallen)

§ 125 JGG In-Kraft-Treten *)

Dieses Gesetz tritt am 1. Oktober 1953 in Kraft.

*)

§ 125 betrifft das In-Kraft-Treten des Gesetzes in der ursprünglichen Fassung vom 4. August 1953. Der Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens der späteren Änderungen ergibt sich aus den Änderungsgesetzen.

67655 Kaiserslautern, Glockenstr. 70
RA Dieter Rheinhardt
Rechtsanwälte Dr. Langguth & Kollegen